Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsverwirkung bei verfestigter Lebensgemeinschaft und bei Strafanzeige wegen Kindesmissbrauch
Leitsatz (amtlich)
1. Anders als gegenüber minderjährigen Kindern ist der Unterhaltsschuldner gegenüber seinem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten nicht verpflichtet, seine Leistungsfähigkeit 'um jeden Preis' wiederherzustellen und dazu jede zumutbare Erwerbstätigkeit anzunehmen, sondern er ist in gewissem Umfange in seinen Dispositionsmöglichkeiten sowohl hinsichtlich der Art als auch des Orts der von ihm angestrebten Erwerbstätigkeit frei. Der - getrennt lebende wie auch geschiedene - Ehegatte muss die Entscheidung des Unterhaltsschuldners zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit deshalb hinnehmen, wenn sich diese Entscheidung nicht als leichtfertiger Verzicht auf sonstige Verdienstmöglichkeiten darstellt.
2. Nach dem Wegfall des unterhaltsrechtlichen Gleichrangs zwischen Ehegatten und minderjährigen Kindern am 1.1.2008 ist der Selbstbehalt ggü. dem Ehegatten auch dann mit dem eheangemessenen Selbstbehalt von 1.000 EUR zu bemessen, wenn dieser Ehegatte gemeinsame minderjährige Kinder betreut. (Red.)
Normenkette
BGB §§ 1579, 1581, § 1601 ff., §§ 1603, 1609
Verfahrensgang
AG Celle (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 8a F 80002/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.4.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Celle (8a F 80002/07) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Urteil des AG - FamG - Celle vom 27.1.2006 (8a F 80022/04) wird zu Ziff. III. dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis zum 31.10.2007 einen monatlichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 633 EUR, für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis zum 30.11.2007 einen monatlichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 118 EUR und seit 1.12.2007 keinen Ehegattenunterhalt mehr zu zahlen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden in beiden Instanzen gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen.
Gründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet.
I. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils für den Zeitraum seit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage am 12.1.2007 bis einschließlich 31.7.2007 kommt nicht in Betracht.
Die Zulässigkeit einer Abänderungsklage gem. § 323 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass die klagende Partei Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihr Vorliegen als zutreffend unterstellt - eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse ergibt, die für die Höhe oder Dauer der in der abzuändernden Entscheidung ausgeurteilten Unterhaltsleistung maßgebend waren. Hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2007 bis Juli 2007 hat der Kläger behauptet, dass seine Erwerbseinkünfte bei der Firma B. ggü. dem Einkommen bei der Firma F. - wo er im Zeitpunkt des Erlasses der abzuändernden Entscheidung beschäftigt war - gesunken seien; ferner hat er sein Abänderungsbegehren damit begründet, dass er ab 1.1.2007 wieder damit begonnen habe, (angeblich) eheprägende Verbindlichkeiten i.H.v. monatlich 705 EUR zu bedienen.
Die Abänderungsklage ist insoweit aber nicht begründet, weil weder die von dem Kläger behaupteten Tatsachen noch der im Übrigen unstreitige und auch für die Bemessung des Ehegattenunterhalts relevante Umstand, dass die gemeinsame Tochter S.-K. der Parteien im Juli 2006 in die zweite Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle vorgerückt ist, im Zeitraum zwischen Januar 2007 und Juli 2007 tatsächlich zu einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse i.S.d. § 323 Abs. 1 ZPO geführt haben. Dies gilt selbst dann, wenn man den Unterhalt ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Bewertungen des Ersturteils für diesen Zeitraum vollständig neu berechnet.
Im Einzelnen:
1. Einkünfte des Klägers
a) Das monatliche Brutto-Festgehalt des Klägers bei der Firma B. betrug 5.290 EUR. Hinzu kamen vermögenswirksame Leistungen i.H.v. 26 EUR sowie - im Zeitraum bis Juni 2007 - auch der steuerliche Nutzungswert des Firmenwagens i.H.v. 250 EUR. Auf dieses Bruttoeinkommen hatte der Kläger monatliche Steuern i.H.v. 1.604 EUR sowie Sozialabgaben i.H.v. 632 EUR zu zahlen, so dass sich ein Nettoeinkommen i.H.v. 3.330 EUR errechnet, worin der Firmenwagen als Sachbezug bereits enthalten ist. Nach Abzug des Sachbezugs in Höhe 250 EUR ergab sich ein (Bar-)Nettoeinkommen von 3.080 EUR.
Dabei kann es allerdings nicht sein Bewenden haben, weil in diesem Falle der unterhaltsrechtlich als Einkommensbestandteil einzusetzende und nach § 287 ZPO zu schätzende Wert der privaten Nutzungsmöglichkeit des Firmenfahrzeugs überhaupt nicht berücksichtigt worden wäre. Der Wert der privaten Fahrzeugnutzung erschöpft sich nicht in der steuerlichen Mehrbelastung. Bei der herausgehobenen wirtschaftlichen und beruflichen Stellung des Klägers ist ohne weiteres davon auszugehen, da...