Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Inhalt der protokollierten Aussage objektiv für die Beweisfrage ergiebig, kann das Berufungsgericht die Aussage ohne erneute Vernehmung des Zeugen anders beurteilen als die erste Instanz. Das Berufungsgericht darf eine Zeugenaussage ohne Wiederholung der Vernehmung auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit werten, die die Vorinstanz unberücksichtigt gelassen hat, weil sie sie für unerheblich hielt.
2. Über den Wortlaut des § 654 BGB hinaus hat der Makler seinen Provisionsanspruch verwirkt, wenn ihm eine schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht zur Last fällt, die er vorsätzlich oder in einer dem Vorsatz nahe kommenden Weise leichtfertig den Interessen des Auftraggebers zuwider begangen hat.
Der Makler hat seinem Auftraggeber alle ihm bekannten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mitzuteilen, die sich auf den Geschäftsabschluss beziehen und für den Willensentschluss des Auftraggebers von Bedeutung sein können. Verletzt der Makler seine Aufklärungspflicht und ist die Pflichtverletzung für den Anfall der Provision ursächlich, hat der Makler den Auftraggeber nach dem Grundsatz der Naturalrestitution provisionsfrei zu stellen.
Normenkette
ZPO § 529; BGB §§ 654, 242
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 21.12.2007; Aktenzeichen 5 O 112/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Stade vom 21.12.2007 abgeändert.
Das Urkunden-Vorbehaltsurteil vom 15.8.2007 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 25.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Maklerin, nimmt die Beklagten auf Zahlung von Courtage i.H.v. 25.000 EUR in Anspruch. Sie vermittelte den Beklagten ein Mehrfamilienhauses in Seevetal. Dieses Haus wurde zuvor durch den Angestellten der Klägerin v. S. besichtigt. Die Klägerin bot das Haus in einem Exposé an und beschrieb es dort wie folgt: "Das Objekt ist sehr hochwertig ausgestattet und befindet sich in einem sehr guten und gepflegten Neubauzustand" (B 2).
Die Beklagten erwarben das Haus für 420.000 EUR. Im notariellen Kaufvertrag vom 22.12.2005 verpflichteten sie sich zur Zahlung einer Courtage i.H.v. 25.000 EUR an die Klägerin (§ 17; Bl. 7 R d.A.). Der Courtageanspruch selbst ist unstreitig.
Die Beklagten wenden gegen den Courtageanspruch ein, die Klägerin habe diesen Anspruch aufgrund mehrerer Aufklärungspflichtverletzungen verwirkt. Sie behaupten insbesondere, das vermittelte Haus sei wegen einer schadhaften Isolierung mangelhaft, weshalb massive Feuchtigkeitserscheinungen im gesamten Haus vorhanden seien. Dies habe die Klägerin vor der Vermittlung gewusst, weil deren Angestellte das Objekt vorher besichtigt hätten und der Angestellte der Klägerin v. S. vom Hausmeister des Objekts S. auf die Feuchtigkeit hingewiesen worden sei. Dieser Mangel sei ihnen von der Klägerin jedoch nicht mitgeteilt worden.
Das LG hat die Beklagten zunächst im Urkundenprozess mit Urkunden-Vor-behaltsurteil vom 15.8.2008 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt (Bl. 40 d.A.). Das LG hat sodann Beweis über die Feuchtigkeit des Hauses und den Kenntnisstand der Klägerin hiervon (Vfg. Bl. 58 R d.A.) erhoben, Mangel und Kenntnis der Klägerin davon jedoch offen gelassen und durch das angefochtene Schlussurteil das Urkunden-Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden genannten Urteile Bezug genommen.
Gegen das Schlussurteil des LG richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Vortrag wiederholen. Die Beklagte zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend ausgeführt (§ 141 ZPO), ein Rücktritt vom bzw. die Anfechtung des Grundstückskaufvertrags sei nicht möglich, da der Verkäufer des Hauses nicht mehr erreichbar sei. Sie habe trotz eigener Besichtigung vom Mangel des Hauses keine Kenntnis haben können. Das Haus bestehe aus zwei Hälften. Nach Besichtigung der einen Haushälfte habe der Angestellte der Klägerin v. S. erklärt, die zweite Hälfte sehe genauso aus, weshalb sie und der Beklagte zu 1 auf eine weitere Besichtigung verzichtet hätten und daher Feuchtigkeitserscheinungen nicht selbst hätten bemerken können.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des LG Stade vom 21.12.2007 sowie das Vorbehaltsurteil vom 15.8.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist unter Aufhebung...