Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Nichtigkeit des Kasko-Versicherungsvertrags wegen einer die straßenverkehrsrechtliche Zulassungsfähigkeit hindernden Beschaffenheit des Fahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kasko-Versicherungsvertrag ist nicht deshalb gemäß § 134 BGB nichtig, weil das versicherte Kraftfahrzeug objektiv nicht zum Straßenverkehr hätte zugelassen werden dürfen (gegen OLG Naumburg, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 4 U 69/13, juris, Rn. 17)

 

Normenkette

BGB § 134; StVZO §§ 16, 19

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 30.09.2022; Aktenzeichen 8 O 34/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert und zunächst teilweise wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin hat gegen den Beklagten dem Grunde nach Anspruch auf die Erstattung des vollen Wiederbeschaffungswertes des unter dem amtlichen Kennzeichen ... zugelassen gewesenen Motorrades mit der FIN W... in demjenigen Zustand, in dem es in dem Wertgutachten des Privatsachverständigen K. vom 9. Mai 2016 beschrieben worden ist.

Die Entscheidung über die Höhe des Anspruchs sowie über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Behauptung, ihr Motorrad sei gestohlen worden, aus dem für dieses Fahrzeug abgeschlossenen Teilkaskoversicherungsvertrag auf Ersatzleistung in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts N. ausgeführt, der Versicherungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Motorrad nicht zulassungsfähig i.S.d. § 16 StVZO gewesen sei und daher gemäß § 19 StVZO keine gültige Betriebserlaubnis gehabt habe.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Hauptanspruch weiterverfolgt. Sie meint, die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend. Das Landgericht habe den Regelungsgehalt des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG verkannt, wonach der Versicherer auch im Falle eines Gesetzesverstoßes des Fahrzeugeigentümers zur Leistung verpflichtet bleibe, wenn sich der Verstoß nicht auf den Schadenseintritt und -umfang ausgewirkt habe. Das sei im Streitfall bewiesen. Sie, die Klägerin, habe außerdem i.S.d. § 26 Abs. 3 VVG den Beweis fehlender Kausalität einer etwaigen Gefahrerhöhung erbracht. Das Motorrad wäre in einem zulassungsfähige(re)n Zustand in gleicher Weise gestohlen worden wie in dem tatsächlichen Zustand.

Die Klägerin beantragt,

abändernd den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.000 EUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin übersehe in ihrer Berufungsbegründung, dass das Landgericht die Klageabweisung nicht mit einer Obliegenheitsverletzung begründet habe, auf die § 28 VVG anwendbar wäre, sondern mit der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags. Im Übrigen führte auch eine etwaige Obliegenheitsverletzung zur Klagabweisung, weil sich nicht ausschließen lasse, dass das Motorrad gerade wegen seiner äußeren Aufmachung Begehrlichkeiten geweckt habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Der Senat hat die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme wiederholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Juni 2023 (Bl. 677 ff. d. A.) verwiesen.

II. Die Berufung ist insoweit begründet, als der Klägerin jedenfalls dem Grunde nach der geltend gemachte Anspruch auf eine Ersatzleistung aus dem bei dem Beklagten abgeschlossenen (Teil-) Kaskovertrag zusteht. Im Übrigen, das heißt zur Höhe des Anspruchs, bedarf es noch weiterer Tatsachenfeststellungen.

1. Das angefochtene Urteil stützt sich in seiner (allein) tragenden Begründung auf das Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 23. Oktober 2014 (4 U 69/13, juris Rn. 17).

a) Nach Maßgabe jenes Urteils verstößt ein Kraftfahrzeugversicherungsvertrag, wenn das konkret versicherte Motorrad bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses wegen der gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StVZO durch den Rückbau zur Moto-Cross-Maschine erloschenen Betriebserlaubnis gemäß § 16 Abs. 1 StVZO nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen war, gegen ein gesetzliches Verbot und ist damit nach § 134 BGB nichtig. Zur Begründung dieses Rechtssatzes hat das Oberlandesgericht N. ausgeführt, das dort betroffen gewesene Krad habe dah...

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