Leitsatz (amtlich)
1. Für die Zwecke des § 30 GmbHG ist eine Unterbilanz nach Bilanzierungsgrundsätzen festzustellen, wie sie für die Jahresbilanz gelten.
2. Die Aktivierung des selbst geschaffenen Firmenwertes in dieser Bilanz verstößt gegen § 248 Abs. 2 HGB und ist unvereinbar mit dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger; sie können diesen Wert nicht zwangsweise realisieren, weil eine Veräußerung des Unternehmens als Einheit auf der Grundlage des § 857 ZPO nicht möglich ist.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 29.04.2003; Aktenzeichen 10 O 131/01) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Schlussurteil des LG Hildesheim vom 29.4.2003 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrage abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Beschwer: über 20.000 Euro.
Gründe
I. Die Parteien streiten, nachdem die Einzahlung rückständiger Stammeinlage durch Teilurteil das Senats vom 25.9.2002 erledigt ist, noch über eine Haftung des Beklagten als Gesellschafter der sich im Insolvenzverfahren befindenden GmbH wegen der Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens zum 31.3.1998 i.H.v. 45.622,91 DM. Der Beklagte wendet sich gegen das Schlussurteil vom 29.4.2003, mit dem ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil vom 23.10.2001 unter Umstellung des zu zahlenden Betrages auf 23.326,62 Euro aufrechterhalten blieb.
Der Beklagte hält es für unzutreffend, dass das LG in Übereinstimmung mit dem schriftlichen Sachverständigengutachten eine Unterbilanz angenommen hat und den Anspruch auf der Grundlage der §§ 30, 31 GmbHG bejaht hat. Der Firmenwert der Gemeinschuldnerin sei zum Stichtag nicht mit lediglich 47.000 DM zu bewerten gewesen, sondern stattdessen mit 300.000 bis 400.000 DM. In den Jahren 1998 und 1999 seien mit mehreren Interessenten konkrete Verhandlungen über eine Beteiligung an der Gemeinschuldnerin geführt worden, was zur Aktivierung des Firmenwertes berechtigt habe. Konkrete Beteiligungsgespräche seien mit der C. GmbH und der P. GbR geführt worden, die die Gemeinschuldnerin aus langjährigen Geschäftsbeziehungen gekannt hätten. Diese Interessenten hätten ernsthafte Beteiligungsabsichten bekundet. Es sei bereits über die Höhe der Beteiligung von jeweils mindestens 200.000 DM sowie über die Durchführung einer Kapitalerhöhung gesprochen worden. Auch mit einem dritten Interessenten seien vom Frühjahr 1998 bis Juni 1999 intensive und konkrete Verhandlungen geführt worden, nämlich mit der A. GmbH, die sich ebenfalls mit ca. 200.000 DM habe beteiligen wollen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und meint, es komme auf die greifbare Aussicht an, das Unternehmen veräußern zu können und dabei einen über den Substanzwert hinausgehenden Mehrerlös zu erzielen. Durch eine Kapitalerhöhung hätte sich der Firmenwert nicht erhöhen können.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das LG den Anspruch i.E. zutreffend bejaht hat.
Die Überlegungen der Parteien zu den Voraussetzungen einer Aktivierung des Firmenwertes sind rechtlich unerheblich, soweit es um die Ermittlung einer Unterbilanz am 31.3.1998 geht. Für die Zwecke des § 30 GmbHG ist das Vorliegen einer Unterbilanz nach Bilanzierungsgrundsätzen festzustellen, wie sie für die Jahresbilanz gelten (vgl. nur Baumbach/Hueck, § 30 Rz. 6). Das folgt aus dem Normzweck des § 30 GmbHG, Gesellschaftsgläubigern haftendes Vermögen zu erhalten. In einen Firmenwert können Gesellschaftsgläubiger nicht vollstrecken, weil dieser Wert sich nur bei Veräußerung des Unternehmens realisieren lässt. Die zwangsweise Veräußerung des Unternehmens der GmbH durch einen Vollstreckungsgläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung ist nach § 857 ZPO nicht möglich. Eine Handelsbilanz, wie sie für Zwecke der Unterbilanzfeststellung aufzustellen ist, darf nicht gegen das Bilanzierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB verstoßen, der die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände untersagt. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten ergibt sich daraus, dass die Rückzahlung des Darlehens eine Unterbilanz entstehen ließ.
Das Darlehen war am Stichtag 31.3.1998 als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren, weil sich die GmbH in der Krise befand. Wie das Sachverständigengutachten überzeugend dargelegt hat, war die GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits rechnerisch überschuldet. Eine positive Fortführungsprognose konnte für diesen Zeitpunkt nicht gestellt werden. Trotz einer Kapitalerhöhung wurde weiter nach Investoren gesucht; diese Suche blieb erfolglos. Eine positive Fortführungsprognose konnte also nicht gestellt werden. Bei Ansatz von Liquidationswerten ist zwar vom wirklichen Wert auszugehen. Da eine Veräußerung des Unternehmens insgesamt aber nicht in Betracht kam, wie die späteren Teilveräußerungen durch den Insolvenzverwalter zeigen, ist der F...