Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 5 O 354/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 27.09.2019 - Geschäftszeichen 5 O 354/18 - aufgehoben.
Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Berufung: bis 55.000 EUR
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung ihres materiellen Schadens nach einem Reitunfall.
Die Parteien nahmen am 15. August 2015 an einem Reitturnier in B. und an der anschließenden Siegerehrung im Viereck auf dem Turnierplatz teil. Bei der Ehrenrunde nach der Siegerehrung des Turniers bockte das Pferd der Beklagten, warf die Beklagte ab und galoppierte daraufhin auf einen benachbarten Abreitplatz.
Die Klägerin behauptet, sie habe ihr eigenes Pferd bei der Ehrenrunde wegen des buckelnden Pferdes der Beklagten angehalten. Das Pferd der Beklagten sei auf sie zugestürmt, habe sie beim Vorbeigaloppieren am rechten Sprunggelenk getroffen und dadurch verletzt. Durch den Unfall mit dem Pferd der Beklagten habe sie eine Fraktur am rechten Sprunggelenk, einen Bänderriss und starke Knochenödeme erlitten. Sie leide noch heute unter Schmerzen und einer eingeschränkten Beweglichkeit. Die Klägerin erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 EUR (abzüglich bereits gezahlter 4.000 EUR) für angemessen, daneben macht sie als materielle Positionen einen Haushaltsführungsschaden, Fahrtkosten zu Behandlungen sowie Zuzahlungen zu Medikamenten in einer Gesamthöhe von 33.185,34 EUR geltend. Wegen der genauen Berechnung wird auf die Klageschrift vom 22.10.2018 Bezug genommen (Bl. 9-17 d.A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Haftung scheide bereits dem Grunde nach wegen Handelns auf eigene Gefahr aus, weil die Klägerin durch die Teilnahme an der Siegerehrung ein über die normale Tiergefahr hinausgehendes besonderes Risiko bewusst und freiwillig eingegangen sei. Die gewöhnlich mit dem Reiten verbundene Gefahr während einer Siegerehrung durch die Wettkampfstimmung, das Publikum, die Musik und das geforderte Stillstehen der Pferde stelle eine besondere Erhöhung der üblichen Tiergefahr dar. Diese gefahrerhöhenden Umstände seien der Klägerin als erfahrener Turnierreiterin auch bekannt gewesen. Die Teilnahme an der Siegerehrung mit dem eigenen Pferd sei freiwillig gewesen. Die dabei übernommene, besondere Verletzungsgefahr habe sich im konkreten Schaden verwirklicht.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Urteil sei rechtsfehlerhaft, da das Gericht zu Unrecht einen Haftungsausschluss angenommen habe. Die Voraussetzungen für ein Handeln auf eigene Gefahr oder einen Haftungsausschluss seien nicht gegeben, auch sei ihr kein Mitverschulden anzulasten. Sie habe insbesondere bei einer Siegerehrung nicht die Tiergefahr aller anderen Pferde übernommen. Die Teilnahme an einer Siegerehrung nach einer Dressurprüfung stelle keine besonders gefährliche Situation dar, die ein gewöhnliches mit dem Reiten verbundenes Risiko übersteige und einen Haftungsausschlusses begründen könnte. Die Pferde haben in der Prüfung gerade eine besondere Gehorsamkeit gezeigt. Ein Erfahrungssatz bezüglich höherer Unfallquoten während Siegerehrungen existiere nicht. Darüber hinaus fehle es an einer bewussten und freiwilligen Gefahrübernahme der Klägerin, da die Siegerehrung entgegen der Darstellung der Beklagten nicht freiwillig sei, sondern Teil des Turniers war.
Die Klägerin beantragt,
das am 27. September 2019 verkündete und am 1. Oktober 2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Lüneburg abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2015 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 29.185,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2019 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftige materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese Folge des Reitunfalles vom 15. August 2015 auf dem Turnierplatz in B. sind,
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.822,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2019 zu zahlen.
Hilfsweise,
den Rechtsstreit an das Landgericht Lüneburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuverweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als richtig. Nach den Regularien für den reiterlichen Turniersport sei die Klägerin als siebtplatzierte Teilnehmerin nicht verpflichtet gewesen, an der Siegerehrung überhaupt teilzunehmen, habe also auf eigenes Risiko gehandelt. Daneben be...