Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorvertraglichkeit in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält ein Vertrag über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Klausel (§ 3 TOP-BUZ)
"(1) Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande sein wird, ihren Beruf auszuüben.
(2) Kann nicht festgestellt werden, dass der Zustand i.S.v. § 3 Abs. 1 TOP-BUZ voraussichtlich sechs Monate andauern wird, hat er jedoch länger als sechs Monate ununterbrochen angedauert, so gilt dessen Fortdauer von Beginn an als Berufsunfähigkeit", so ist diese dahin auszulegen, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht wegen Vorvertraglichkeit ausgeschlossen ist, wenn bei diesem wegen einer kurz vor Antragstellung aufgetretenen Krankheit keine Diagnose einer Berufsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1 gestellt werden kann, der Erkrankungszustand dann aber über den Vertragsbeginn hin aus dauernd fortbesteht und eine Berufsunfähigkeit nach § 3 Abs. 2 TOP-BUZ begründet."
2. § 3 Abs. 2 TOP-BUZ enthält ebenso wie § 2 Nr. 3 der Musterbedingungen (BB-BUZ) eine ausschließlich dem Interesse des Versicherungsnehmers dienende Regelung zum Nachweis des Eintritts der Berufsunfähigkeit.
Normenkette
BB-BUZ §§ 1, 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 08.10.2004; Aktenzeichen 13 O 106/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.10.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 1.9.2003, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 1.12.2010, eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 110 EUR zu zahlen und der Klägerin von diesem Zeitpunkt an Beitragsfreiheit in Höhe des monatlichen Versicherungsbeitrages zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO). Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1b), § 3 Abs. 1 und 2 TOP-BUZ (Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit erweitertem Leistungsumfang) des zum 1.12.2002 geschlossenen Vertrags ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1.9.2003 zu. Unstreitig ist die Klägerin wegen ihrer psychischen Erkrankung, wie sie in den Attesten der Dr. S. vom 6.11.2003 und des Psychiaters J. vom 7.11.2003 beschrieben wird, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Raumpflegerin berufsunfähig.
1. Diese Berufsunfähigkeit ist nicht bereits vor Vertragsschluss eingetreten. Gemäß § 1 Abs. 1 TOP-BUZ erbringt der Versicherer nur Leistungen, wenn die versicherte Person während der Dauer dieser Zusatzvereinbarung berufsunfähig wird. Hieraus folgt, dass Versicherungsschutz für eine bereits vor Beginn des Versicherungsschutzes bestehende "mitgebrachte" Berufsunfähigkeit nicht besteht. Eine solche ist jedoch nicht gegeben.
a) Nach § 3 Abs. 1 TOP-BUZ liegt Berufsunfähigkeit zunächst dann vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande sein wird, ihren Beruf auszuüben. Der Versicherungsfall darf hierbei nicht mit dem Begriff der Krankheit, die zur Berufsunfähigkeit geführt hat, gleichgesetzt werden. Vielmehr muss als Beginn der Berufsunfähigkeit der Zeitpunkt festgestellt werden, in dem erstmals ein Zustand gegeben war, der bei rückschauender Betrachtung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Besserung im Sinne einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erwarten ließ (BGH v. 21.3.1990 - IV ZR 39/89, MDR 1990, 908 = VersR 1990, 729). Auf dieser Grundlage lässt sich eine Berufsunfähigkeit in dem Zeitraum vor dem 1.12.2002 mit einer damals zu treffenden Prognose nicht feststellen. Die Klägerin hat hierzu unter Vorlage des Attestes des sie seit dem 22.10.2002 behandelnden Psychiaters J. behauptet, im Zeitpunkt ihrer Krankschreibung am 21.10.2002 hätten keine Anhaltspunkte für ihre Berufsunfähigkeit bestanden und diese sei zum damaligen Zeitpunkt auch nicht zu erwarten oder zu befürchten gewesen. Auch die Beklagte behauptet nicht, bei der Klägerin sei bereits vor dem 1.12.2002 oder gar vor Antragstellung am 25.10.2002 eine Berufsunfähigkeit diagnostizierbar gewesen.
b) Es liegt auch keine vor Vertragsschluss bestehende fingierte Berufsunfähigkeit nach § 3 Abs. 2 TOP-BUZ vor. Dieser bestimmt:
"Kann nicht festgestellt werden, dass der Zustand i.S.v. § 3 Abs. 1 TOP-BUZ voraussichtlich sechs Monate andauern wird, hat er jedoch länger als sechs Monate ununterbrochen angedauert, so gilt dessen Fortdauer von Beginn an als Berufsunfähigkeit."
§ 3 Abs. 2 TOP-BUZ weic...