Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Widerruf eines auf den Kauf umfangreicher Nachschlagewerke gerichteten Teilzahlungsgeschäftes
Leitsatz (amtlich)
Die Gesetzlichkeitsfiktion nach § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV greift nur, wenn das verwandte Formular dem Muster der Anlage 2 zur BGB-InfoV sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. U.a. das Weglassen von Überschriften oder der vorgesehenen Schlusszeile steht der Gesetzlichkeitsfiktion entgegen (Bestätigung u.a. von BGH, Urteil vom. 1.12.2010 - VIII ZR 82/10).
Ein Widerrufsrecht ist nicht allein deshalb verwirkt, weil seit dem Vertragsschluss längere Zeit verstrichen und der Vertrag beiderseitig vollständig erfüllt ist. Hinzutreten muss vielmehr, dass sich der Widerrufsgegner im Vertrauen auf das Ausbleiben des Widerrufs so eingerichtet hat, dass ihm durch den späten Widerruf auch unter Berücksichtigung des vom Gesetz bezweckten Verbraucherschutzes unzumutbare Nachteile entstünden.
Zur Bewertung der Nutzung umfangreicher Lexikotheken und anderer Nachschlagewerke.
Vorteile aufgrund einer Teilzahlungsmöglichkeit begründen bei Widerruf von Teilzahlungsgeschäften keinen Anspruch auf Ersatz des Wertes von Nutzungen.
Normenkette
BGB § 346 Abs. 1, §§ 2, 355 Abs. 2, § 357 Abs. 1 S. 1, § 501 S. 1, § 495 Abs. 1; BGB-InfoV § 14 Abs. 1 Fassung: 2004-12-07, Abs. 3 Fassung: 2004-12-07
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 28.11.2013; Aktenzeichen 1 O 104/13) |
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten wird das angefochtene Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 28.11.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 einen Betrag i.H.v. 2.870 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der mit Vertrag vom 5.4.2004 erworbenen Bücher und sonstiger Nachschlagewerke "L.", "L.", "W.", "W." und "L." sowie gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 469,98 EUR zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag i.H.v. 2.212 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der mit Vertrag vom 15.1.2007 erworbenen Werke "B. M. (4 DVD's)", "W." und "W." sowie gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. 549,74 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der vorgenannten Werke im Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1 zu 48 %, die Klägerin zu 2 zu 12 % und die Beklagte zu 40 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1 zu 15 %, die Klägerin zu 2 zu 5 % und die Beklagte zu 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können eine Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.082 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung von Verträgen über Bücher und andere Wissensmedien. Die Beklagte verkaufte im Direktvertrieb Lexika und andere Nachschlagewerke. Die Kläger bestellten bei ihr nach Hausbesuchen im April 2004 und im Januar 2007 u.a. gedruckte Nachschlagewerke und Nachschlagewerke auf Datenträgern zu Teilzahlungspreisen von 2.870 EUR und 2.385 EUR, zahlbar in Raten. Die Verträge sind - bis auf einen geringen Rest der auf den zweiten Vertrag zu leistenden Raten - beidseits vollständig erfüllt. Mit der Klage haben die Kläger die Rückzahlung der geleisteten Kaufpreise Zug um Zug gegen Rückgabe der gekauften Werke und u.a. die Feststellung des Annahmeverzuges verlangt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 2.870 EUR sowie von 2.212 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der gekauften Werke verurteilt. Die weiter gehenden Klaganträge hat es abgewiesen. Ansprüche auf Wertersatz für Nutzungen, die die Beklagte den Klageansprüchen in erster Linie im Wege eines Zurückbehaltungsrechtes entgegenhält, hat es verneint. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf diese Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Sie ist insbesondere der Auffassung, das LG habe zu Unrecht eine Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche abgelehnt sowie Ansprüche auf Leistung von Wertersatz für Nutzungen verneint.
Sie beantragt, das Urteil des LG Lüneburg vom 28.11.2013 (Az.: 1 O 104/13) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten weiter. Darüber hinaus streben sie eine Änderung der erstinstanz...