Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung für eine Bauhandwerkersicherungshypothek: Widerlegbarkeit der Dringlichkeitsvermutung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Verfügungsgrund, also die besondere Gefährdung des zu sichernden Anspruchs, wird im Rahmen des § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB widerleglich vermutet (Anschluss OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.2.2013 - 21 U 123/12; OLG Koblenz, Urt. v. 13.5.2013 - 12 U 1297/12; OLG Celle, Beschl. v. 30.8.2012 - 5 W 42/12).

2. Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit ist dann als entfallen anzusehen, wenn sich der Unternehmer nach Beendigung seiner Arbeiten mehr als 18 Monate Zeit lässt, seine Schlussrechnung zu erstellen, und nach Erstellung der Schlussrechnung weitere 14 Monate zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

3. Der Verfügungsgrund lebt trotz der Absicht des Auftraggebers, sein Baugrundstück zu veräußern, nicht wieder auf, wenn zwischen den Parteien bereits seit längerem Streit über die Vergütungsforderung des Unternehmers bestand.

 

Normenkette

BGB §§ 648, 885 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 26.11.2014; Aktenzeichen 12 O 237/14)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 26.11.2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Der Streitwert für die Berufung und - den Beschluss der 12. Zivilkammer des LG Hannover vom 27.10.2014 von Amts wegen abändernd - für die erste Instanz wird einheitlich auf 21.737 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 542 Abs. 2 Satz 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet.

1. Der erforderliche Verfügungsgrund ist nicht gegeben.

a) Während der Erlass einer einstweiligen Verfügung normalerweise auch die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, also der besonderen Gefährdung des zu sichernden Anspruchs voraussetzt (§§ 935, 940, 917, 920 Abs. 2 ZPO), wird dies nach § 885 Abs. 1 S. 2 BGB bei einer die Eintragung einer Vormerkung anordnenden einstweiligen Verfügung widerleglich vermutet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.2.2013 - 21 U 123/12, juris Rz. 10; OLG Koblenz, Urt. v. 13.5.2013 - 12 U 1297/12, juris Rz. 29; OLG Celle, Beschluss vom 30.8.2012 - 5 W 42/12, juris Rz. 3; OLG Hamm, Urt. v. 4.11.2003 - 21 U 44/03, juris Rz. 6; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 885 Rz. 5; Eckert in BeckOK/BGB, Stand 1.11.2014, § 885 Rz. 11; Pastor in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rz. 277; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar-Bauvertragsrecht, Stand 1.2.2015, § 648 Rz. 43). Nach anderer Ansicht erübrigt sich durch diese Regelung das Erfordernis der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes insgesamt (Staudinger/Gursky, BGB, 2013, § 885 Rz. 29; MünchKomm/Kohler, BGB, 6. Aufl., § 885 Rz. 7); die Vermutung sei unwiderleglich (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 648 Rz. 40).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für deren Richtigkeit spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes, da hiernach lediglich die Glaubhaftmachung nicht aber das Vorliegen eines Verfügungsgrundes entbehrlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.2.2013, a.a.O., juris Rz. 11; OLG Hamm, Urteil vom 4.11.2003, a.a.O.).

b) Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit ist dann als entfallen anzusehen, wenn der Bauhandwerker nach Beendigung seiner Arbeiten und Erstellung der Schlussrechnung geraume Zeit ins Land gehen lässt, bevor er sich zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung entschließt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.2.2013, a.a.O., juris Rz. 13; OLG Koblenz, Urteil vom 13.5.2013, a.a.O., juris Rz. 29; OLG Celle, Urt. v. 27.2.2003 - 14 U 116/02, juris Rz. 3; Musielak/Huber, ZPO, 11. Aufl., § 935 Rz. 13; Pastor in Werner/Pastor, a.a.O., Rz. 277; Schmitz in Kniffka, a.a.O., § 648 Rz. 43). Dies ist hier zu bejahen, da die Schlussrechnung vom 10.8.2013 stammt und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erst am 24.10.2014 beim LG, mithin über 14 Monate später, eingegangen ist. Zudem hat der Verfügungskläger mit der Erstellung der Schlussrechnung noch über 18 Monate zugewartet, nachdem die Parteien am 21.1.2012 eine vorläufige Regelung über die weitere Durchführung des Werkvertrags getroffen hatten. Der Verfügungskläger hat nicht behauptet, nach dem 21.1.2012 überhaupt noch weitere Werkleistungen ausgeführt zu haben.

c) Zwar haben sich die Umstände dahingehend geändert, dass die Verfügungsbeklagten seit Herbst 2014 beabsichtigen, ihre Eigentumswohnung zu veräußern. Damit ist die Eilbedürftigkeit aber nicht "wieder aufgelebt" bzw. "neu entstanden".

Die Regelung des § 648 BGB dient der dinglichen Sicherung des Unternehmers. Der Unternehmer soll im Wege des Verfahrens der einstweiligen Verfügung erreichen können, dass eine Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek in das Grundbuch eingetragen wird, soweit es um d...

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