Leitsatz (amtlich)
Wird der Versicherungsnehmer insolvent, ist eine Feststellungsklage des geschädigten Dritten gegen den Betriebshaftpflichtversicherer mit dem Ziel zulässig, das Bestehen von Versicherungsschutz für das Schadensereignis zu klären, wenn weder der Versicherungsnehmer noch dessen Insolvenzverwalter gegen eine - unberechtigte - Deckungsversagung vorgehen und deshalb ein Rechtsverlust durch Verjährung droht.
Normenkette
AHB § 4 Abs. 1 Ziff. 6b Abs. 3; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.11.2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hannover wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch in Höhe eines Selbstbehalts von 2.500 EUR die Beklagte keinen Deckungsschutz zu gewähren hat.
2. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 410.000 EUR festgesetzt, für die Zeit ab 29.6.2012 auf bis zu 290.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau (Anlage K 4, gesondert geheftet) Ansprüche aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der mittlerweile insolventen M. GmbH in S. geltend.
Die M. GmbH führte gemäß Bauwerkvertrag vom 26.11.2003 (Anlage K 1) für den Kläger und seine Ehefrau Maurer- und Stahlbetonarbeiten zum Bauvorhaben des Klägers und seiner Ehefrau in N. durch und errichtete in diesem Rahmen eine Sohlplatte.
Die Leistung war mangelhaft (s. auch Urteil des LG Verden vom 12.8.2009 - 8 O 345/08, Anlage K 3). Bedingt durch die Mängel der Sohlplatte kam es zu Schäden am von dritter Seite darauf errichteten Fertighaus, das deswegen abgerissen und einschließlich Sohlplatte neu errichtet werden muss.
Die M. GmbH ist insolvent. Eine Forderung des Klägers i.H.v. 452.694,50 EUR wurde zur Insolvenztabelle festgestellt. Der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Dr. S., entsprach dem Antrag des Klägers auf Freigabe des Freistellungs- und Deckungsanspruchs aus der Masse nicht (Anlage K 8).
Die M. GmbH war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die AHB der Beklagten sowie die BBR 1 zugrunde (vgl. dazu sowie auch zur Bauhandwerker-Police den Anlagenband der Beklagten, Versicherungsschein Anlage K 2 mit Bl. 50). Als "versichertes Risiko" ist im Versicherungsschein bezeichnet: "Sonstige Betriebe des Bau- und Ausbauhandwerks - Maurerarbeiten -".
Der Kläger macht einen Feststellungsanspruch geltend. Versichert seien mit Ausnahme der Kosten für die Beseitigung und Neuerrichtung der Sohlplatte sämtliche Kosten des Abrisses des Gebäudes und des Wiederaufbaus.
Der Kläger hat beantragt (Bl. 69, 2), festzustellen, dass hinsichtlich des Bauvorhabens T. P./J. W.,... weg 1,... N., bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der M. GmbH i. L.,... S. - VS-Nr .../Schaden-Nr ... - für die in dem Haftpflichtprozess des Klägers gegen die M. GmbH vor dem LG Verden - 8 O 345/08 - im Urteil vom 12.8.2009 ausgeurteilten Haftungsansprüche, mit Ausnahme sog. Erfüllungsansprüche bzw. Erfüllungssurrogate, hier die Kosten des Ausbaus und der Deponierung der Sohlplatte sowie der Kosten einer neuen Sohlplatte, besteht, und dass Rechtsanwalt Dr. J. S.,... W., als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH bedingungsgemäß Versicherungsschutz gewährt wird.
Die Beklagte hat beantragt (Bl. 70), die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, allein der Insolvenzverwalter sei berechtigt, einen Prozess gegen die Beklagte zu führen. Außerdem bestehe kein Versicherungsschutz. Die ausschließlich versicherten Maurerarbeiten beinhalteten nicht das Werk als solches, sondern nur Schäden Dritter. Das Gesamtbauwerk sei immer nur mangelhaft gewesen. Erfüllungsansprüche seien nicht versichert. Die Beklagte verweist weiter auf die Ausschlüsse in § 4 I 6 und § 4 II 5 AHB.
Das LG hat - nach Erteilung von Hinweisen (Bl. 52 ff.) - der Klage stattgegeben.
Der Kläger als Geschädigter habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte Deckungsschutz zu gewähren habe. Da der Insolvenzverwalter den Deckungsanspruch weder selbst verfolge noch diesen freigebe, drohe dem Kläger ein Verlust dieses Anspruchs. Der Umstand, dass sich der Kläger den von der Beklagten bestrittenen Deckungsanspruch pfänden und sich überweisen lassen könne, lasse sein Feststellungsinteresse nicht entfallen.
Die Beklagte habe Deckungsschutz für die dem Kläger zuerkannten Schadensersatzansprüche zu gewähren, weil diese vom vereinbarten Versicherungsumfang der Bauhandwerker-Police umfasst seien. Zwar sehe der Versicherung...