Leitsatz (amtlich)

1. Ein Vertriebsunternehmen, das lediglich ein Berechnungsbeispiel für einen Anlageinteressenten erstellt, ohne in weiterer Weise seinerseits gegenüber dem Interessenten tätig zu werden, stellt sich noch nicht als Anlageberater des Kaufinteressenten dar.

2. Allein eine persönliche Bindung Kraft mehrjährigen freundschaftlichen Kontaktes reicht zur Auslösung einer persönlichen Haftung des Stellvertreters gegenüber dem Vertragspartner des Vertretenen wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nicht aus.

 

Normenkette

BGB §§ 164, 276

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 17 O 5967/00)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Hannover vom 20.11.2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leisten.

Die Sicherheiten können in der Form des § 108 Abs. 1n. F ZPO erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen des Erwerbs einer 61,59 m² großen Eigentumswohnung südlich von … zum Preise von 36.333 DM im Jahr 1996 in Anspruch. In dem Beklagten zu 2) sehen sie einen Vermittler, der Kraft besonderen Vertrauens, das die Kläger ihm zuwandten, ihnen persönlich hafte. Die Haftung der Beklagten zu 1), einer Immobilienfirma, die Schwestergesellschaft des Finanzdienstleistungsunternehmens … ist, leiten die Kläger aus deren Stellung als Anlageberaterin bzw. Anlagevermittlerin her.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen.

Es hat gemeint, zur Beklagten zu 1) sei zwar ein Anlageberatungs- bzw. Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen. Der Beklagten zu 1) falle jedoch keine Pflichtverletzung zur Last. Insbesondere eine unzureichende Risikoaufklärung falle der Beklagten zu 1) nicht zur Last. Insbesondere das Bauträgerrisiko und das Vermietungsrisiko seien im Prospekt, den die Kläger erhalten hätten, hinreichend beschrieben. Im Erwerbsjahr 1996 habe niemand mit den Schwierigkeiten gerechnet, die schon bis 1999 eingetreten seien, es habe nämlich niemand vorausgesehen, dass es ein Überangebot von Wohnungen geben werde, ebenso wenig sei vorhersehbar gewesen, dass der Bau des beabsichtigten S-Bahn-Anschlusses zum Ort der Wohnung hin über Jahre immer wieder verschoben werden würde. Das nach Darstellung der Kläger viel zu optimistische Berechnungsbeispiel der Beklagten zu 1) habe sich nicht ausgewirkt, weil die Kläger eine andere Finanzierung als im Berechnungsbeispiel zugrundegelegt über die Commerzbank gewählt hätten. Dass die Commerzbank … dennoch finanziert habe, spreche dagegen, dass das Berechnungsbeispiel viel zu optimistische Annahmen beinhaltet habe. Der Vortrag der Kläger zur Überhöhung des Kaufpreises und zur bei weitem zu optimistischen Prognose der Mieteinnahmen im Jahr 1996 sei ins Blaue hinein erfolgt. Ferner trügen die Kläger nichts Konkretes dazu vor, warum die Informationen zu den Steuervorteilen und der „…” unzureichend gewesen sein sollten und dass ihnen daraus Nachteile entstanden seien.

Aus den genannten Gründen entfalle auch die Haftung des Beklagten zu 2).

Gegen dieses Erkenntnis wenden sich die Kläger mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung.

Unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages machen sie im Wesentlichen geltend:

Entgegen dem landgerichtlichen Urteil hätten die Kläger eine Pflichtverletzung auf S. 2 ff. des Schriftsatzes vom 13.8.2001 zureichend und unter Beweisantritt dargelegt (GA 198 ff.). Selbst wenn Risikohinweise in Prospektmaterial enthalten seien, stelle es sich als Aufklärungs- und Beratungsfehler dar, wenn die Prospekte unzutreffende oder verharmlosende Aussagen über die prognostizierte Wertentwicklung enthielten. Dies gelte im Hinblick auf die den Klägern nicht offen gelegte Vertriebsprovision von mehr als 20 % des Gesamtaufwandes (GA 358) und die Tatsache, dass der bis heute fehlende S-Bahn-Anschluss nach eigenem Vortrag der Beklagten zu 1) offensichtlich eine so große Auswirkung auf die Vermietbarkeit der Immobilie und auf die Inanspruchnahme der Firma … als Mietgarantin hatte, dass letztere letztlich habe Insolvenz anmelden müssen. Insoweit hätten die Beklagten es an der vom BGH geforderten Aufklärung über Objekt- und Umgebungsrisiken fehlen lassen.

Auch die Beurteilung des LG, wonach sich das falsche, zumindest aber irreführende Berechnungsbeispiel nicht ausgewirkt habe, weil die Kläger eine andere Finanzierung über die Commerzbank gewählt hätten, gehe von objektiv unrichtigen Tatsachen aus. Die Kläger hätten in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen mehrfach vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Umstellung der Finanzierung auf alleinige ...

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