Leitsatz (amtlich)
1. Verbindet das Gericht die Verfahren verschiedener Kläger aus einem Unfall mit Zustimmung der Parteien gem. § 147 ZP, darf es nur dann durch Teilurteil vorab über eine der Klagen entscheiden, wenn die Voraussetzungen des § 301 ZPO erfüllt sind.
2. Der Unabwendbarkeitsbeweis gem. § 7 Abs. 2 StVG a.F. ist nur geführt, wenn auch ein Idealfahrer überhaupt in die Gefahrensituation geraten wäre und der Schädiger in der konkreten Unfallsituation wie ein Idealfahrer reagiert hat.
3. Kraftfahrer müssen sich auf Autobahnen wegen der dortigen besonderen Gegebenheiten nicht in demselben Umfang wie auf anderen Straßen auf das Vorhandensein aller möglichen Hindernisse einstellen. So muss etwa mit auf der Fahrbahn liegenden Reifenteilen, herausragenden Holzteilen, unbeleuchteten Splitterhaufen oder ähnlichen kleineren Hindernissen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist, nicht gerechnet werden. Ungesichert auf der Fahrbahn liegen gebliebene Fahrzeuge gehören dazu jedoch nicht, selbst wenn sie unbeleuchtet und mit einem Tarnanstrich versehen sind.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 12.03.2007; Aktenzeichen 19 O 20/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.3.2007 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des LG Hannover aufgehoben und der Rechtsstreit, soweit das LG ihn durch Teilurteil entschieden hatte, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG Hannover zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat zunächst Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil das LG, nachdem es die Verfahren über die Klage der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 einerseits und die zunächst gesondert anhängig gewesene Klage der Ehefrau und Tochter des unfallbeteiligten VW-Fahrers gegen die Klägerin sowie den Fahrer und den Haftpflichtversicherer ihres Lkw andererseits mit Zustimmung der Parteien gem. § 147 ZPO verbunden hatte, nicht durch Teilurteil vorab über die Klage der Klägerin entscheiden durfte.
1. Ob die Voraussetzungen für den Erlass des Teilurteils vorgelegen haben, hatte der Senat von Amts wegen zu prüfen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 301 ZPO unterliegen nicht der Verfügung der Parteien und sind unverzichtbar (vgl. BGH v. 12.1.1999 - VI ZR 77/98, MDR 1999, 496 = NJW 1999, 1035 - juris-Rz. 6 m.w.N.).
2. Durch die Verbindung der beiden ursprünglich selbständigen Prozesse ist ein einheitlicher Rechtsstreit entstanden, der grundsätzlich durch einheitliches Endurteil zu entscheiden ist; ein Teilurteil darf nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 301 ZPO erfüllt sind (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 147 Rz. 8). Die Verbindung der beiden Verfahren hatte die Wirkung, dass die später eingegangene, gegen die Klägerin des ersten Rechtsstreits (Halterin des Lkw) und den Fahrer des Lkw sowie dessen Haftpflichtversicherer gerichtete Klage der Ehefrau und Tochter des bei dem Unfall verstorbenen Fahrers des VW Passat zur Widerklage geworden ist, auch wenn deren Voraussetzungen an sich fehlten, weil sie nicht von einem Beklagten der Vorklage erhoben worden ist (vgl. dazu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 147 Rz. 11 a.E.; zur Zulässigkeit einer Prozessverbindung in einem solchen Fall s. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 33 Rz. 22 und 23 m.w.N.). Demnach war gem. § 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO ein Teilurteil über die Klage der Klägerin nur zulässig, wenn die Gefahr eines Widerspruchs zum Teil- und Schlussurteil über die Widerklage ausgeschlossen war. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss die Entscheidung über den vorab entschiedenen Teil unabhängig davon sein, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen restlichen Streitstoff entscheidet, wobei bereits die bloße Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht ein Teilurteil unzulässig macht (vgl. z.B. BGH v. 5.12.2000 - VI ZR 275/99, BGHReport 2001, 96 = MDR 2001, 287 = NJW 2001, 760 - juris-Rz. 8; BGH v. 12.1.1994 - XII ZR 167/92, MDR 1994, 613 = NJW-RR 1994, 379 - juris-Rz. 23; OLG Celle v. 4.3.2004 - 6 U 220/03, OLGReport Celle 2004, 395; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 301 Rz. 7). Im Fall von Klage und Widerklage darf deshalb kein Teilurteil ergehen, wenn beide wegen gemeinsamer Vorfragen in untrennbarem Zusammenhang stehen. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch vor.
Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung über die Klage der Klägerin gegen die Beklagte (Versicherer des Pkw VW Passat) gem. §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 3 PflVersG davon ab, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem VW Passat oder dem Lkw verursacht worden ist. Dabei ist vorrangig zunächst die Frage der Unabwendbarkeit für den Fahrer und Halter des VW Passat zu prüfen (§ 7 Abs. 2 StVG a.F. i.V.m. Art. 22...