Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessführungsbefugnis nach Übergang der im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachten Forderung auf den Kaskoversicherer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit dem Übergang der in gewillkürter Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend gemachten Forderung auf einen neuen Gläubiger endet die Prozessführungsbefugnis des Prozessstandschafters, sofern er nicht ebenso von dem neuen Gläubiger ausdrücklich zur Prozessführung ermächtigt wird.

2. Eine gesetzliche Prozessstandschaft durch eine entsprechende Anwendung von § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO tritt nicht an deren Stelle (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022, I ZR 135/21).

 

Normenkette

ZPO § 265

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Entscheidung vom 06.01.2021; Aktenzeichen 2 O 408/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das am 06. Januar 2021 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2019 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Sachverständigenkosten in Höhe von 2.549,61 Euro gegenüber dem Kfz-Sachverständigenbüro Z., ..., aus der Rechnung ... freizustellen.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Abschlepp- und Bergungskosten in Höhe von noch 129,75 Euro zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Mietwagenkosten in Höhe von 1.460,20 Euro gegenüber der S. GmbH, ..., aus der Rechnung ... freizustellen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den materiellen Schaden zu 80 % zu ersetzen, welcher aufgrund des Unfallereignisses vom 27. Juni 2019 auf der Bundesautobahn 2 bei L. noch entstehen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 78 % und der Beklagte 22 %, die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall. Das beschädigte Fahrzeug hatte der Kläger von der B. Bank GmbH geleast und dementsprechend hinsichtlich des Sachschadens als Prozessstandschafter Zahlung an die Leasinggeberin verlangt. Hinsichtlich der Abschleppkosten und Standgebühren hat der Kläger erstinstanzlich Freistellung von der Forderung des Abschleppunternehmens begehrt.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der Umstand, dass dem Beklagten erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bekannt geworden ist, dass der Kaskoversicherer bereits vor der mündlichen Verhandlung beim Landgericht den Sachschaden gegenüber der Leasinggeberin reguliert hatte und Abschleppkosten und Standgebühren in einem Gesamtbetrag von 369,37 EUR direkt an den Abschleppdienst überwiesen hatte.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat überwiegend Erfolg. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unzulässig.

1. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger den Wiederbeschaffungsaufwand von 15.891,51 Euro, dessen Regulierung er ursprünglich durch Zahlung an die B. Bank GmbH begehrt hat, nach seinem in der Berufungsinstanz umgestellten Antrag nunmehr durch Zahlung an die H. AG ersetzt verlangt. Gleiches gilt, soweit er nach Teilregulierung der Abschlepp- und Bergungskosten durch die H. AG in Höhe von 369,37 Euro nunmehr in dieser Höhe die Zahlung an die H. AG begehrt.

Dem Kläger fehlt insofern die Prozessführungsbefugnis. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Sie ist die Fähigkeit, über das behauptete streitige Recht einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen führen zu können (BGH, Urteil vom 06.06.2019, I ZR 67/18, Rn. 12, zit. nach juris).

a) Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt Inhaber des auf den Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands gerichteten Anspruchs gemäß § 7 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, da nicht er selbst, sondern die Leasinggeberin Eigentümerin des verunfallten Fahrzeuges ist und deren Anspruch infolge der Sachschadensregulierung auf die H. AG übergegangen ist. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Abschlepp- und Bergungskosten ist der Kläger ebenso wenig aktivlegitimiert, soweit er nicht nach Teilregulierung durch die Kaskoversicherin nach den Grundsätzen über das Quotenvorrecht (s. nachfolgend Ziffer 2.) anspruchsberechtigt geblieben ist.

b) Der Kläger ist auch nicht im Wege gewillkürter oder gesetzlicher Prozessstandschaft zur Geltendmachung der vorgenannten Ansprüche befugt.

Zwar hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger aufgrund einer ihm von der B. Bank GmbH mit dem Leasingvertrag erteilten Ermächtigung, die fahrzeugbezogene...

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