Leitsatz (amtlich)

1. Die Veräußerung von Vorbehaltsware und Einziehung abgetretener Forderungen durch den Insolvenzverwalter kann eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Nr. 1 InsO und nicht nur eine Insolvenzforderung begründen.

2. Dies setzt aber voraus, dass durch eine Handlung des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist.

3. Insoweit trifft den jeweiligen Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die Handlung des Insolvenzverwalters - und zwar dafür, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder Eigentum der Klägerin verarbeitet und veräußert oder eine der Klägerin zustehende Forderung eingezogen hat.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 12.01.2006; Aktenzeichen 4 O 240/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.1.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Vorabbefriedigung aus der Insolvenzmasse.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 48 S. 2 InsO.

Die Weiterveräußerung durch die Schuldnerin an die K. GmbH war nicht unberechtigt i.S.v. § 48 Satz 1 InsO. Als die Schuldnerin diese Ende Mai/Anfang Juni 2004 vornahm, bestand noch ihre Ermächtigung zur Weiterveräußerung seitens der Klägerin gemäß deren dem Vertrag zugrundeliegenden AGB, in denen es heißt:

"1. Alle gelieferten Waren bleiben unser Eigentum (Vorbehaltsware) ...

2. Bearbeitung und Verarbeitung der Vorbehaltsware erfolgen für uns als Hersteller i.S.v. § 950 BGB ...

3. Bei Verarbeitung, Verbindung und Vermischung der Vorbehaltsware mit anderen Waren durch den Käufer steht uns das Miteigentum an der neuen Sache zu ...

4. Der Käufer darf die Vorbehaltsware nur im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und nur solange er nicht im Verzug ist, veräußern ...

5. Die Forderungen des Käufers aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware werden bereits jetzt an uns abgetreten ...

6. Der Käufer ist berechtigt, Forderungen aus der Weiterveräußerung bis zu unserem jederzeitigen Widerruf einzuziehen ..."

Die Klägerin hat diese Ermächtigung erst mit Anwaltsschreiben vom 11.1.2005 dem Beklagten gegenüber widerrufen. Das in der Verhandlung vor dem Senat von Klägerseite überreichte Schreiben an den Beklagten enthält einen solchen Widerruf nicht und datiert ebenfalls erst aus der Zeit nach Weiterveräußerung der Bleche an die K. GmbH (19.8.2004).

2. Ferner kann die Klägerin keine Vorabbefriedigung beanspruchen wegen einer Handlung des Beklagten als Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte die der Klägerin zur Sicherheit abgetretene Forderung aus dem Verkauf der Bleche, die dem Absonderungsrecht der Klägerin unterlag, zur Masse eingezogen hat, § 51 Nr. 1, § 166 Abs. 2 InsO.

Zuzugeben ist, dass die Veräußerung von Vorbehaltsware und Einziehung abgetretener Forderungen durch den Insolvenzverwalter eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Nr. 1 InsO und nicht nur eine Insolvenzforderung begründen kann, die dann auch vorab zu befriedigen ist, § 53 InsO. Dies setzt aber voraus, dass durch eine Handlung des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist (Jaeger/Henckel, InsO, § 55 Rz. 79; Hefermehl in Münch-Komm/InsO, § 55 Rz. 206; Kuebler/Prütting/Pape, InsO, § 55 Rz. 54). Insoweit trifft den jeweiligen Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die Handlung des Insolvenzverwalters - und zwar dafür, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder Eigentum der Klägerin verarbeitet und veräußert oder eine der Klägerin zustehende Forderung eingezogen hat. Dabei kann, anders als die Klägerin meint, auch nicht zu ihren Gunsten die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass, wenn die Klägerin schon ihren Anspruch vor den "einfachen" Insolvenzforderungen befriedigt wissen will, sie dann auch die Voraussetzungen dafür dartun und beweisen muss.

Zutreffend hat das LG angenommen, dass die Klägerin diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. Die Klägerin hat schon nicht dargetan, mit welchen Anteilen die Klägerin überhaupt an welchen einzelnen Verarbeitungsprodukten Miteigentum erworben haben könnte. Der Beklagte hat hierzu detailliert vorgetragen, dass die Förderkanäle zwar auch mit Blechen der Klägerin hergestellt wurden, keinesfalls aber ausschließlich, sondern dass anhand der entsprechenden Baupläne dargestellt werden kann, wie viele weitere Teile ganz unterschiedlicher Art und Weise in einen solchen Förderkanal eingebaut werden. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht verdeutlichen können, welche Zahlungen auf diejenigen Verträge erfolgt sind, die die oben genannten Verarbeit...

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