Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine schriftliche Vereinbarung, nach der Parteien einen Umbauzuschlag von 0% vereinbaren, steht den Regelungen von § 35 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2009 und § 6 Abs. 2 Satz 4 HOAI 2013 nicht entgegen.
Leitsatz (amtlich)
1. Eine schriftliche Vereinbarung, nach der zwischen den Parteien ein Umbauzuschlag von 0% vereinbart worden ist, steht den Fiktionen von § 35 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2009 und § 6 Abs. 2 Satz 4 HOAI 2013 nicht entgegen, so dass der Auftragnehmer auch nachträglich keinen weiteren Umbauzuschlag fordern kann.
2. Mehrkosten aufgrund von Bauzeitverlängerungen sind konkret darzulegen. Schätzungen auf der Basis von Durchschnittswerten sind nicht ausreichend.
3. Ein wichtiger zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund liegt vor, wenn das Erbringen von vertraglich geschuldeten Leistungen von einer weiteren Vertragsergänzung abhängig gemacht wird.
Normenkette
BGB §§ 242, 314 Abs. 1 S. 2, §§ 642, 649 aF; HOAI 2009 § 35 Abs. 1 S. 2; HOAI 2013 § 6 Abs. 2 S. 4; VOB B § 6 Abs. 6
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 10.02.2021; Aktenzeichen 14 O 122/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10.02.2021 - 14 O 122/17 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 768.400,57 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten weitere Zahlungen aufgrund von zwei Ingenieurverträgen. Die Beklagte beauftragte die Klägerin, ein Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung, im Juni 2010 mit Sanierungsarbeiten in Bezug auf die Fallschirmjägerkaserne in .... Die Klägerin sollte die Erneuerung der dortigen Gebäudeautomation sowie die Sanierung der Wärmeversorgung und -verteilung planen und überwachen.
Auf die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge und Vertragsergänzungen (Anlagen K1- K6) wird Bezug genommen. Die Klägerin wurde zunächst mit den Leistungsphasen 2 und 3 der HOAI 2009 beauftragt. Später erfolgte eine Beauftragung mit den Leistungsphasen 5-8.
Als Vergütungsregelung vereinbarten die Parteien den Mindestsatz nach der HOAI 2009. In Bezug auf Umbauzuschläge war für die Anlagegruppe 9 im Vertrag Technische Ausrüstung TGA-M (Anlage K4) vom 02.06.2010 ein Umbauzuschlag von 20% vereinbart. Für die übrigen Anlagegruppen und für den gesamten Vertrag TGA-ELT (Anlage K1) war dies nicht der Fall. Dort wurde gem. Ziffer 6.1.3 ein Umbauzuschlag von 0% vereinbart.
Die Bauzeit sollte sich gem. Ziffer 5.1.3 vom 30.9.2010 bis zum 30.9.2013 (37 Monate) erstrecken (Anlage K1). Für den Fall der Bauzeitverlängerung, die über sechs Monate hinausgeht und nicht von der Klägerin zu vertreten ist, regelte Ziffer 6.3 einen Anspruch auf eine Vergütung von nachweislich erforderlichen Mehraufwendungen.
Das Bauvorhaben konnte nicht in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden. Die Klägerin meldete bei der Beklagten mit Schreiben vom 10.01.2014 Mehraufwand aufgrund der Bauzeitverlängerung an (Anlage K7). Im Folgenden gab es zwischen den Parteien eine Diskussion über die Forderungen der Klägerin.
Mit E-Mail vom 4.12.2014 und vom 12.03.2015 (Anlagenkonvolut B4) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Mehraufwand entsprechend der vereinbarten Stundensätze vergütet werde, der behauptete Mehraufwand derzeit aber noch nicht konkret dargelegt worden sei, und erläuterte dies näher.
Die Klägerin setzte der Beklagten mit Schreiben vom 12.1.2015 (Anlage K8) eine Frist bis zum 30.1.2015, die von der Klägerin geforderten Nachtragsvereinbarungen zu unterzeichnen, und teilte der Beklagten schließlich mit Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K10) mit, dass sie Mehraufwendungen in Höhe von 189.590,68 EUR gehabt habe. Diese seien vertraglich zu vereinbaren und zu vergüten. Ferner seien monatliche Kosten in Höhe von 13.542,19 EUR seit dem 01.06.2015 rückwirkend zu zahlen bis zum Ende der Bauphase. Sollte bis zum 07.08.2015 keine diesbezügliche Vertragsergänzung stattgefunden haben, werde die Klägerin die Arbeiten einstellen.
Die folgenden E-Mails der Beklagten (vgl. Anlagenkonvolut B2), in denen diese die Klägerin zu Stellungnahmen zu bestimmten Punkten aufforderte, beantwortete die Klägerin stets gleichlautend mit einem Verweis auf ihr Schreiben vom 24.07.2015, ohne in der Sache auf die Anliegen der Beklagten einzugehen.
Die Beklagte kündigte daraufhin die Verträge mit der Klägerin durch Schreiben vom 20.08.2015 fristlos. Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 50% der Leistungen der Klägerin erbracht.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine berechtigte fristlose Kündigung der Beklagten handelt. Die Klä...