Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erforderlichkeit einer genehmigungsfähigen Planung durch den Architekten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Bereich der Grundlagenermittlung und Vorplanung (Leistungsphasen 1 und 2 gem. § 34 HOAI) hat der Architekt zunächst die Wünsche des Bauherrn auszuloten, diesen zu beraten und ein Konzept zu erstellen.

Eine baurechtliche Genehmigungsfähigkeit der Grundlagenermittlung und Vorplanung ist in der Regel aber keine Voraussetzung für den Honoraranspruch des Architekten für diese Leistungsphasen.

2. Erst ab der Entwurfsplanung (Leistungsphase 3 gem. § 34 HOAI) hat der Architekt eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen. Die rechtliche Vertretung der Genehmigungsplanung gegenüber Behörden und Gerichten befreit den Architekten regelmäßig nicht von dieser vertraglichen Pflicht.

3. Der Architekt, der für ein Vorhaben i.S.d. § 34 BauGB eine genehmigungsfähige Planung verspricht, hat seine Planung so zu erstellen, dass sie als zulässig i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt werden kann, also innerhalb eines etwaigen Beurteilungsspielraums liegt. Erst dann erfüllt er seine vertragliche Pflicht (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97, Rn. 17, juris). Dafür muss der Architekt die zur Lösung dieser Aufgabe notwendigen Kenntnisse auf dem Gebiet des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts besitzen (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 1980 - III ZR 167/78; vom 25. Oktober 1984 - III ZR 80/83; vom 19. März 1992 - III ZR 117/90, Rn. 18; alle juris).

4. Der Architekt kann sich von der vertraglichen Pflicht, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, ausnahmsweise befreien lassen, wenn der Bauherr ausdrücklich das Risiko einer Versagung der Baugenehmigung auf sich nimmt oder dem Architekten eine Haftungsbefreiung erteilt (Ausnahmefall hier verneint).

5. Zur Mitwirkung bei einer risikoreichen sog. Deckblattlösung ist der Bauherr nicht verpflichtet.

 

Normenkette

BauGB § 34; BGB § 631; HOAI §§ 15, 34

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 189/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Dezember 2022 verkündete Schlussurteil in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 4. April 2023 der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 14 O 189/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 3.058,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Oktober 2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass dem Kläger aus seiner Honorarschlussrechnung vom 22. Juli 2020 gegenüber der Beklagten kein Honorarrestforderungsbetrag in Höhe von 191.517,92 EUR zusteht.

3. Auf die Widerklage der Beklagten wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 29.999,68 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2020 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Wider-Widerklage wird abgewiesen.

5. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits der I. Instanz tragen der Kläger 62% und die Beklagte 38%. Von den Kosten des Rechtsstreits der II. Instanz tragen der Kläger 75%, die Beklagte 25%.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

8. Die Revision wird nicht zugelassen.

9. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 295.300,04 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Architekt und verlangt mit seiner Klage ein Honorar für seine Architektenleistungen für das Bauvorhaben "40 Wohneinheiten nebst Tiefgarage auf dem Grundstück ..." in Hannover, für das er von der Beklagten - einem Immobilienunternehmen - im Jahr 2016 beauftragt wurde.

Auf dem Grundstück, auf dem die Beklagte das Bauvorhaben realisieren wollte, befanden sich bereits ein ehemaliges Gaststättengebäude und ein Hotel. Südlich des Grundstücks waren vier Doppelhäuser belegen. Die östlich liegenden Flächen wurden kleingärtnerisch genutzt und gingen in das Landschaftsschutzgebiet "..." über. Die westliche Seite der Straße war mit mehrgeschossigen Wohngebäuden bebaut. Das Gebiet nördlich der ... Heide wurde bereits durch den Bebauungsplan Nr. 1029 überplant und eine maximal zweigeschossige Bauweise festgesetzt. Außerdem lag dort ein 16m breiter Streifen nicht überbaubarer Fläche. Für das streitgegenständliche Gebiet war zu diesem Zeitpunkt noch kein Bebauungsplan in Kraft getreten, aber ein Erlass bereits durch die Landeshauptstadt Hannover beabsichtigt.

Bereits deutlich vor der Beauftragung des Klägers durch die Beklagte im Jahr 2016 beschloss am 17.11.2012 der Verwaltungsausschuss der Landeshauptstadt Hannover die Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 1772 für das streitgege...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?