Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung zwischen unentgeltlicher Akquise und vertraglich zu vergütender Tätigkeit. Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten aufgrund eines Verstoßes gegen dessen Aufklärungs- und Beratungspflichten.

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob ein Vertrag abgeschlossen oder nur eine Akquiseleistung erbracht wurde, ist im Einzelfall anhand der Tatumstände zu klären. Über ein Jahr andauernde intensive Planungsleistungen durch diverse Mitarbeiter eines Büros können ein Indiz dafür sein, dass keine Akquiseleistung vorliegt.

Der Architekt hat bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung die Kostenvorstellungen des Bauherrn zu erfragen. Unterlässt der Architekt dies und plant im Rahmen seiner weiteren Leistungen ein Bauvorhaben, das die Kostenvorstellungen des Bauherrn bei weitem übersteigt, kann dieser einen Schadensersatzanspruch gegen den Architekten haben, der einem Vergütungsanspruch in gleicher Höhe gegenübersteht.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 631

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 221/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Juni 2021 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 14 O 221/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.099,85 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.11.2019 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 75 %, der Beklagte 25 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 112.284,06 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von Architektenhonorar in Höhe von 105.037,84 EUR.

Der Beklagte ist Eigentümer des beim Amtsgericht Hannover zum Grundbuch der ... Blatt ... und Blatt ... verzeichneten Grundbesitzes, worauf sich ein Gebäude mit einem Restaurant befindet. Der Beklagte beabsichtigte, dieses Gebäude mit Wohnungen aufzustocken und das Restaurant umzubauen.

Eine im Jahr 2017 gestellte Bauvoranfrage war dem Beklagten negativ beschieden worden.

Zur Realisierung der Aufstockung wandte sich der Beklagte an den Zeugen A. J., einen bei der Klägerin, als Unternehmen, das u.a. Architektenleistungen anbietet, beschäftigten Architekten. Ein erstes Gespräch fand Anfang Mai 2018 in den Geschäftsräumen der Klägerin statt. Im Rahmen dieses Gespräches, an dem auch der Sohn des Beklagten, der Zeuge Ö. und der Mitarbeiter des Beklagten, der Zeuge D., teilnahmen, erklärte der Beklagte, dass er einen finanziellen Rahmen von 1,5 Mio.EUR für das Projekt habe. Für diesen Betrag seien auch bereits Finanzierungsgespräche mit der Bank geführt worden.

Anschließend erfolgte am 17.5.2018 eine Besichtigung des Objekts des Beklagten. Zur Prüfung der Eignung des vorhandenen Baukörpers nahm die Klägerin mit Vollmacht des Beklagten (Anlage K1), ausgestellt auf den Zeugen J., vom 19.9.2018 Einsicht in die Bauunterlagen des bereits vorhandenen Gebäudes und des Grundstücks, für das auch eine Baulast für zwölf Pkw-Einstellplätze (Anlage B2a) im Baulastenverzeichnis der Landeshauptstadt Hannover eingetragen war. Mit Vollmacht vom 17.12.2018 bevollmächtigte der Beklagte die Klägerin, Leitungspläne zur Prüfung der vorhandenen Schmutz- und Regenwasserleitungen einzuholen (Anlage K2).

In der Folge gab es diverse weitere Gespräche zwischen dem Zeugen J. und dem Beklagten, an denen zumeist auch die Zeugen Ö. und D. teilnahmen. Der Zeuge J. und weitere Mitarbeiter der Klägerin begannen sodann mit Planungsarbeiten. Unter anderem beauftragte der Zeuge J. eine Baugrunduntersuchung (Anlage K5) und einen Statiker. Es fanden Aufmaßtermine in den Räumen des Beklagten sowie Gespräche zwischen Mitarbeitern der Klägerin und Mitarbeitern des Fachbereichs für Lebensmittelüberwachung bei der Landeshauptstadt Hannover (vgl. Bl. 152, K20) statt. Der Zeuge J. erarbeitete ein Brandschutzkonzept mit der Feuerwehr Hannover (K5) und entwarf Pläne für die Aufstockung und Umgestaltung des vorhandenen Gebäudes.

Am 6.2.2019 unterzeichnete der Beklagte in den Räumen der Klägerin im Beisein des Zeugen J. die Bauantragsunterlagen, die dieser beim Bauamt einreichte. Für die Genehmigung des Bauantrages war die nachbarliche Zustimmung eines Anliegers erforderlich, die von diesem nicht erteilt wurde.

Mit Schreiben vom 4.7.2019 (Anlage K10) überreichte der Zeuge J. dem Beklagten eine Honorarvereinbarung, eine Rechnung über die nach Behauptung der Klägerin erbrachten Leistungen der Leistungsphasen 1-3 gem. § 34 HOAI 2013 a.F. in Höhe von 105.037,84 EUR sowie eine Kostenberechnung,...

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