Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausratversicherung: Mitverschulden des Versicherungsnehmers bei Unterlassen des Abdrehens des Hauptwasserhahns
Leitsatz (amtlich)
Ein grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers kann zu einem anspruchsmindernden, ggf. sogar anspruchsausschließenden, Mitverschulden führen, das der Schuldner dem Versicherer entgegenhalten kann.
Das Abdrehen des Hauptwasserhahns stellt keine Obliegenheit dar, die der Versicherungsnehmer nach dem Verlassen einer Wohnung vornehmen muss, um einem Schaden aus einem Rohrbruch entgegenzuwirken, wenn keinerlei Anhaltspunkte für einen drohenden Schaden bestehen.
Gegen versteckte mangelhafte Werkleistungen muss ein Versicherungsnehmer keine Vorkehrungen treffen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 631; VVG § 86
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 22.07.2020; Aktenzeichen 8 O 237/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.7.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden - 8 O 237/18 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Der Klageanspruch zu 1. gegen die Beklagte ist dem Grunde nach zu 100% begründet.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Zahnarztpraxis Dr. S. F. jedweden weiteren aus dem Leitungswasserschadenereignis vom 27.7.2018 in dem Objekt S. 8 in F. entstandenen Schaden dem Grunde nach zu 100% zu ersetzen.
3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
7. Der Streitwert wird auf 220.796,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden Klägerin) verlangt von der Beklagten, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) Schadensersatz und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren auf die Klägerin übergegangenen Schaden aus dem Leitungswasserschadensereignis vom 27.7.2018 zu ersetzen.
Die Klägerin ist die Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung der Zahnarztpraxis Dr. S. F., S. 8, F.. Versichert sind auch Leitungswasserschäden. Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Dr. S. F. (im Folgenden Versicherungsnehmer), beauftragte die Beklagte, ein Unternehmen, mit der Installation einer Desinfektionsanlage in seiner Zahnarztpraxis. Die Desinfektionsanlage wurde zusammen mit den an die Anlage anschließenden Rohrleitungen von der Beklagten am 27.10.2016 installiert. Im Nachgang zu der Installation der Anlage war die Beklagte auch mit der Wartung der Desinfektionsanlage beauftragt. Die letzte Wartung der Anlage erfolgte am 15.11.2017.
Der Versicherungsnehmer schloss seine Praxis urlaubsbedingt für drei Wochen seit dem 6.7.2018. Das Hauptwasserventil für die Praxis wurde nicht abgesperrt.
Am Abend des 27.7.2018 gegen 19 Uhr verließen die Zeuginnen S. und G. das Haus, in dem der Versicherungsnehmer seine Praxis im zweiten Obergeschoß hat. Zu diesem Zeitpunkt bemerkten die Zeuginnen noch kein Wasser im Treppenhaus. Als sie am Morgen des 28.7.2018 gegen 7 Uhr zurückkamen, bemerkten sie gleich beim Betreten des Treppenhauses schwallartiges Wasser, das aus der Praxis des Versicherungsnehmers herauslief. Das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits überflutet. Die herbeigerufene Feuerwehr stellte fest, dass die streitgegenständliche Rohrleitung einige Stunden vor der Entdeckung des Schadens undicht geworden sein müsse.
Der Wasseraustritt erfolgte in einem Praxisraum, aus dem durch die Beklagte installierten Wasserrohr. Dort hatte sich ein Verbindungsstück (Winkelfitting) an dem mit der Desinfektionsanlage verbundenen Wasserrohr gelöst.
Die Klägerin regulierte den Inhaltsschaden ihres Versicherungsnehmers und begehrt aus übergegangenem Recht von der Beklagten Schadensersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet sei.
Sie hat behauptet, die Beklagte habe ein von ihr installiertes Rohr, das zur Desinfektionsanlage hinführt, entgegen den anerkannten Regeln der Technik installiert, so dass sich ein Fitting gelöst und den Wasseraustritt verursacht habe. Das Rohrende sei entgegen der Montageanweisung zu kurz in die Muffenaufnahme des Fittings eingesteckt worden, so dass die für die Fixierung und Kraftaufnahme notwendige Klebefläche zu klein ausgefallen sei. Der Kleber sei zudem nicht vollflächig auf der Außenseite aufgetragen worden, so dass Fehlstellen auf der Außenfläche verblieben seien. Entgegen der Montageanleitung sei der Kleberauftrag auch nicht in axialer Richtung, sondern quer zur Rohrlängsachse erfolgt.
Sie hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 64.133,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkt...