Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung von Ärzten im Zusammenhang mit der Behandlung von Nachblutungen im Anschluss an eine Mandeloperation.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 30.03.2000; Aktenzeichen 19 O 237/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 bis 3 wird das am 30. März 2000 verkündete Grund- und Teilurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover zu I. des Urteilstenors unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel teilweise geändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage des Klägers zu 1 gegen die Beklagten zu 1 und 3 wird abgewiesen.

2. Die Klage des Klägers zu 1 gegen den Beklagten zu 2 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

3. Die Klage der Klägerin zu 2 gegen die Beklagten zu 1 und 2 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

II. Ferner wird das angefochtene Urteil auf die Berufung des Beklagten zu 2 zu II. des Urteilstenors (Zahlung eines Schmerzensgeldes von 500. 000 DM) aufgehoben. Insoweit wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Die erstinstanzlichen Kosten des Beklagten zu 3 tragen der Kläger zu 1 zu 92 % und die Klägerin zu 2 zu 8 %.

Von den zweitinstanzlichen Kosten des Beklagten zu 3 werden dem Kläger zu 1 87 % und der Klägerin zu 2 13 % auferlegt.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung, auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens, dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten zu 3 gegen Sicherheitsleistung von 45. 000 DM für den Kläger zu 1 und von 5. 500 DM für die Klägerin zu 2 abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 3 zuvor Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.

V. Wert der Beschwer für die Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 jeweils über 60. 000 DM.

 

Tatbestand

Der am 7. November 1991 geborene Kläger zu 1 (fortan: Kläger) macht gegen die Beklagten zu 1 bis 3 wegen behaupteter ärztlicher Sorgfaltsmängel einen Schmerzensgeldbetrag und eine Schmerzensgeldrente geltend. Die Klägerin zu 2 (fortan: Klägerin) - seine Mutter - beansprucht aus demselben Grund Ersatz von Vermögensschäden.

Die Beklagten zu 1 und 2 betreiben eine HNO-Gemeinschaftspraxis und besitzen Belegbetten im ##############. Der Beklagte zu 1 führte am 16. Dezember 1996 beim Kläger eine Tonsillektomie durch. Zur Stillung von intraoperativen Nachblutungen aus dem Zungengrund bds. nahm er eine Umstechungsligatur beider Tonsillenbetten vor, nachdem der Versuch einer Blutstillung mittels einer Koagulationspinzette erfolglos war. Der Kläger wurde am 22. Dezember 1996 nach sonst komplikationslosem Verlauf entlassen. Am Abend desselben Tages trat erneut eine Nachblutung auf, sodass er wieder stationär im ##############aufgenommen wurde. Der Beklagte zu 1 fand eine diffuse Blutung im Bereich des caudalen Tonsillenbetts re. sowie weitere diffuse Blutungen im li. Wundbett vor. Er nahm erneut eine Umstechung der Tonsillenbetten vor. Der Kläger wurde nach komplikationslosem Verlauf am 27. Dezember 1996 entlassen.

Am 30. Dezember 1996 trat wiederum eine Blutung auf. Die Kläger begaben sich deshalb gegen 17:00 Uhr nach telefonischer Rücksprache mit dem Beklagten zu 1 in dessen Praxis. Die Klägerin brachte in einem Gefäß aufgefangenen blutigen Speichel des Klägers mit. Der Beklagte zu 1 fand bei der Inspektion des Klägers lediglich ein sehr kleines Blutkoagel im Tonsillenbett re. Da er keine akute Blutung feststellen konnte, entließ er den Kläger in einem sonst klinisch regelhaften Allgemeinzustand mit der Maßgabe, "kalte Nackenumschläge" anzulegen, nach Hause. Er unterrichtete den Beklagten zu 2, der an diesem Abend für die Belegabteilung im ############## Hintergrunddienst hatte, telefonisch von der Wiedervorstellung des Klägers und auch darüber, dass er die Klägerin aufgefordert habe, den Kläger bei einer neuerlichen Blutung sofort wieder vorzustellen.

Nach einer weiteren Blutung begaben sich die Kläger gegen 19:15 Uhr in die Ambulanz des ##############. Der Kläger wurde von dem Beklagten zu 3, einem approbierten Arzt im 5. Weiterbildungsjahr zum Internisten, der den Bereitschaftsdienst versah, untersucht und in die HNO-Belegabteilung eingewiesen. In dem Konsilbogen wird der Kläger von dem Beklagten zu 3 als "wach" und "klar" beschrieben. Die Mundschleimhaut und die Konjunktiven waren danach rosig und trocken. In beiden Nasenlöchern befanden sich Blutkrusten. Im Rachen wird eine "alte Blutkruste" beschrieben. Der Puls betrug 106/min. und war kräftig. Hinweise auf eine akute Blutung gab es nicht.

Der Beklagte zu 3 unterrichtete den Beklagten zu 2 telefonisch von dem Befund. Dieser forderte den Beklagten zu 3 im Hinblick darauf, dass eine akute Blutung nicht vorhanden war und regelhafte Herz-Kreislauf-Verhältnisse herrschten, auf, d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge