Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 28.06.2016; Aktenzeichen 4 O 191/14)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.6.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Verden - 4 O 191/14 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.1. Die Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden.

2. Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Denn der Kläger, dem mangels Berufungsangriffs der Beklagten insoweit ein Anspruch dem Grunde nach auf Ersatz der unfallbedingten Schäden in Höhe von 70 % aufgrund des Verkehrsunfalls vom 16.3.2014 zusteht, hat seinen Fahrzeugschaden - hier in Gestalt des Wiederbeschaffungswertes - der Höhe nach nicht hinreichend schlüssig und substantiiert im Einzelnen dargelegt.

Im Hinblick darauf, dass der klägerische Pkw von zwei massiven Vorschadensereignissen betroffen war, deren ordnungsgemäße Reparatur sich - anders als der Kläger behauptet und der Sachverständige und das LG annehmen - nicht (mehr) feststellen lässt, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass durch das streitgegenständliche Kollisionsereignis ein Fahrzeugschaden in der vom LG zugesprochenen Höhe entstanden sein soll.

Im Einzelnen:

a) Zum Beweis eines Fahrzeugschadens kann sich der Kläger schon nicht auf das von ihm in Auftrag gegebene vorgerichtliche Schadengutachten des Sachverständige B. vom 21.3.2014 (Bl. 6 ff. d.A.) beziehen. Denn der Sachverständige B. hat zu etwaigen Vorschäden am klägerischen Fahrzeug lediglich "Gebrauchsschäden. Lackierung des vorderen Stoßfängers links unterhalb beschädigt, verschrammt" angegeben, was dem tatsächlichen Ausmaß der massiven - angeblich reparierten - Vorschäden nicht gerecht wird. Aus diesem Grund bietet die gutachterliche Stellungnahme mit einer viel zu hohen Wiederbeschaffungswertangabe keine taugliche Grundlage für die Quantifizierung irgendeines ersatzfähigen Fahrzeugschadens.

b) Soweit der gerichtlich bestellte Sachverständige einen Wiederbeschaffungswert unter Berücksichtigung der Annahme, dass die unstreitigen Vorschäden am klägerischen Fahrzeug fachgerecht repariert worden seien, bestimmt hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

(1) Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass weder eine halbwegs sichere Reparaturkostenkalkulation noch eine halbwegs sichere Wiederbeschaffungswertabgrenzung möglich ist, wenn der Kläger nach einem unstreitigen Totalschaden zwar das Fahrzeug repariert, hierzu im Einzelnen jedoch keinerlei bzw. nur rudimentäre Angaben macht.

Ist streitig, ob der Fahrzeugschaden durch einen Unfall entstanden ist oder wie hoch der Sachschaden zu beziffern ist, so kann das Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheidet. Jedoch muss der Geschädigte den Umfang des Schadens und dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.2.2006 - 1 U 148/05). Der Geschädigte muss eine geeignete Schätzgrundlage beibringen. Unzulässig ist eine Schätzung, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte "völlig in der Luft hängen würde". Daher ist der Geschädigte eines Kfz-Unfalls verpflichtet, bezüglich der Kfz-Schäden die Vorschäden im Einzelnen, d.h. die konkret beschädigten Fahrzeugteile und die Art ihrer Beschädigung sowie die für die Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte und die tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeiten schlüssig darzulegen; selbst die Vorlage von Rechnungen genügt allein der Darlegungslast nicht (KG DAR 2013, 464).

Auch im Falle eines reparierten Vorschadens, der weiterhin den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs beeinflusst, treffen den Kläger besondere Darlegung- und Beweispflichten nach dem Maßstab des § 286 ZPO. Denn ohne detaillierte Kenntnis über den Umfang des Vorschadens und seiner gegebenenfalls erfolgten Reparatur kann der aktuelle Wiederbeschaffungswert nicht bestimmt werden (OLG Hamburg, Beschluss vom 6.5.2003 - 14 U 12/03; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.5.2015 - 1 U 116/14). Selbst wenn der Vorschaden sich auf einen anderen Schadensbereich als der neue Schaden bezieht, lässt sich ohne weitere Angaben zum Vorschaden und zur Reparatur im Einzelnen ein erstattungsfähiger Fahrzeugschaden nicht feststellen, da der Wiederbeschaffungswert nicht bestimmbar ist (Nugel DAR 2011, 666; LG Bremen NZV 2005, 529). Insofern treffen hier den Geschädigten genau dieselben Anforderungen wie bei einem überlagerten Schadensbereich und es ist sowohl der Umfang des wertbestimmend...

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