Leitsatz (amtlich)
Steht ein Arbeitslosengeldempfänger infolge einer Körperverletzung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung, und bezieht er statt des Arbeitslosengeldes i.S.d. §§ 117 ff. SGB III a.F. "Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit" i.S.d. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III, so entsteht ihm wegen des Wegfalls seines bisherigen Anspruchs bei normativer Betrachtungsweise ein Erwerbsschaden. In entsprechendem Umfang geht sein Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger gem. § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 10 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit über (Fortführung des Senatsurteils BGH v. 20.3.1984 - VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334 = MDR 1984, 658).
Normenkette
SGB III § 126; SGB X § 116 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 26.01.2007; Aktenzeichen 13 S 53/06) |
AG Hannover (Urteil vom 20.06.2006; Aktenzeichen 543 C 17024/05) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover vom 26.1.2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bundesagentur für Arbeit macht als Sozialversicherungsträger aus übergegangenem Recht ihres Leistungsempfängers H. Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 6.10.2003 geltend, den der Versicherungsnehmer des beklagten Haftpflichtversicherers schuldhaft verursacht hat und für den die Beklagte unstreitig in vollem Umfang einstehen muss.
H. war vor dem Unfall arbeitslos und bezog von der Klägerin Arbeitslosengeld. Für die Zeit vom 6.10.2003 bis 16.11.2003, in der H. unfallbedingt arbeitsunfähig war, erbrachte die Klägerin "Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit" i.S.d. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.H.v. insgesamt 2.123,02 EUR. In entsprechender Höhe verlangt sie mit der vorliegenden Klage aus übergegangenem Recht des H. Schadensersatz.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage (nebst Zinsen) stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht bejaht einen nach § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 10 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzanspruch des H. Zwar sei diesem aufgrund der unfallbedingten Verletzung kein unmittelbarer Verdienstausfall entstanden, weil er bereits vor dem Verkehrsunfall arbeitslos gewesen sei. Auch komme der hypothetischen Arbeitskraft kein konkreter Vermögenswert zu. Ein Vermögensschaden wegen des Verlustes seiner Arbeitsfähigkeit entstehe aber dem Arbeitslosen, der Arbeitslosengeld erhalte, weil das Gesetz ihn wegen seiner Arbeitsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsleistung als weiterhin in den Arbeitsmarkt eingegliedert ansehe und er diesen der Existenzsicherung zugrunde gelegten Status und die damit verbundenen sozialen Leistungsansprüche verliere. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Arbeitsloser seinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen gem. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht verliere, wenn ihn bezüglich dieses Umstandes kein Verschulden treffe. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es in erster Linie, bei Krankheiten von weniger als sechs Wochen Dauer einen Wechsel des Leistungsträgers zu vermeiden. Die nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III nach Eintritt der krankheitsbedingten bzw. unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit weiter gezahlte Arbeitslosenunterstützung trete lediglich an die Stelle des ohne diese Regelung zu zahlenden Krankengeldes. Damit erbringe die Klägerin auch Leistungen aufgrund des Schadensereignisses, wie es § 116 SGB X voraussetze.
II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin mit Recht gem. § 116 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. aus übergegangenem Recht ihres Leistungsempfängers H. einen Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Haftpflichtversicherer zuerkannt.
Nach § 116 Abs. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.
1. Entgegen der Auffassung der Revision stand H. nach den gesetzlichen Vorschriften der § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ein (übergangsfähiger) Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.
a) Da H. im Zeitpunkt des Unfalles arbeitslos war und mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass er während der Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in eine Arbeitsstelle hätte vermittelt werden können, ist ihm allerdings kein konkreter Verdienstausfallschaden entstanden.
b) Ein von der Beklagten zu ersetzender Vermögensschaden kann jedoc...