Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 2 O 255/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. November 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise geändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.614,15 EUR zu zahlen sowie der Beklagte zu 1 alleine verurteilt, an die Klägerin auf 1.614,15 EUR Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 30. September 2016 bis 1. Oktober 2016 zu zahlen, sowie die Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin auf 1.614,15 EUR Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 2. Oktober 2016 bis 4. Oktober 2016 zu zahlen und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin auf 1.614,15 EUR Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 5. Oktober 2016 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden zukünftigen materiellen Schaden zu 30 % zu ersetzen, der ihr aus dem Verkehrsunfall vom 25. Januar 2016 entsteht.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 70 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 30 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise, nämlich zur Hauptsache hinsichtlich einer Quote von 30 % und hinsichtlich der Zinsen im Hinblick auf Rechtshängigkeitszinsen begründet.
1. Die Beklagten haften dem Grunde nach als Gesamtschuldner für den Schaden der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25. Januar 2016 auf dem Parkplatz des Supermarktes X in B. mit einer Haftungsquote von 30 % gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG.
a) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG liegen für beide Parteien vor, ebenso ist der Unfall für keine der Parteien ein Fall höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG.
b) Der Unfall war auch - wie das Landgericht zutreffend entschieden hat - für keine der Parteien unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG.
(1) Ein Verkehrsunfall ist unabwendbar, wenn dieser auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGHZ 117, 337). Gefordert wird nicht absolute Unvermeidbarkeit, sondern ein an durchschnittlichen Verhaltensanforderungen gemessenes ideales, also überdurchschnittliches Verhalten (BGH NJW 1986, 183; OLG Koblenz NZV 2006, 201), welches sachgemäß, geistesgegenwärtig und über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinausgeht, wobei alle möglichen Gefahrenmomente zu berücksichtigen sind (BGH 113, 164).
(2) Daran gemessen war der Unfall für den Beklagten zu 1 nicht unabwendbar. Als Idealfahrer hätte - er im Rahmen der auch auf dem dortigen für den öffentlichen Verkehr frei zugänglichen Parkplatz geltenden Straßenverkehrsordnung (StVO) und daraus resultierender Verpflichtung zur ständigen Vorsicht und Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 1 StVO sowie der Verpflichtung sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (§ 1 Abs. 2 StVO) - durch einen (erneuten) Blick in den rechten Außenspiegel unmittelbar vor dem Anfahren erkannt bzw. erkennen können, dass die Fahrertür des Klägerfahrzeugs in den Raum der vom Beklagtenfahrzeug genutzten Parkbucht hineinragt und eine Kollision mit dem Anhängergespann aufgrund des nur geringen Seitenabstands und dem Ausschwenken des Anhängers nach rechts bei der beabsichtigten Bogenfahrt nach links droht und diese vermeiden können.
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Unfall für den Zeugen S. ebenfalls nicht unvermeidbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Zwar findet - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Denn diese Vorschrift, die ein Höchstmaß an Sorgfalt von dem Aussteigenden verlangt, schützt den fließenden Verkehr (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2009, 850 ff.; König, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 14 Rn. 5). Allerdings trifft den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird (König, a. a. O., § 14 Rn. 6). Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe, die im fließenden Verkehr gelten, jedenfalls sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlagen kann. Aus diesem Grund hat auch der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen - anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist - besondere Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen (...