Leitsatz (amtlich)
1. Das für die Zulässigkeit einer sog. "gewillkürten Prozessstandschaft" erforderliche rechtliche Eigeninteresse des Klägers an der Durchsetzung eines fremden Rechts kann auch darin liegen, einen Versicherungsvertrag "schadensfrei" zu halten.
2. Das Vorfahrtsrecht gem. § 8 Abs. 1 StVO gilt - vorbehaltlich einer ausdrücklichen anderen Verkehrsregelung - auch auf öffentlichen Parkplätzen.
3. Das Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers bezieht sich nur auf den unmittelbaren Sachschaden und nicht auf die Sachfolgeschäden (vgl. BGH v. 8.12.1981 - VI ZR 153/80, BGHZ 82, 338 = MDR 1982, 398). Zu den unmittelbaren Sachschäden, die gem. § 67 VVG übergangsfähig sind, gehört auch die Wertminderung, die ein Pkw durch einen Unfall erfährt, weil sie dem Pkw unmittelbar anhaftet und auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur nicht mehr zu beseitigen ist ("Unfallwagen").
4. Zur Abrechnung eines Schadensersatzanspruchs gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts des Versicherungsnehmers.
Normenkette
StVO § 8; BGB § 249; ZPO § 51; VVG § 67
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 11 O 315/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Hannover vom 25.1.2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Vollkaskoversicherung des Klägers, die ...-Versicherung, ..., Schadens-Nr.: ..., 2.617,70 EUR zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, an den Kläger 793,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 65 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.304,59 EUR.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 Satz 2 ZPO):
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in dem durch den Tenor zuerkannten Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 3 PflVG; entsprechend war das angefochtene Urteil des LG abzuändern.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 73 d.A.).
1. Die Klage ist zulässig.
a) Insbesondere fehlt es nicht an einer Prozessführungsbefugnis des Klägers für den Antrag zu 1, mit dem die Verurteilung der Beklagten begehrt wird, an die Vollkaskoversicherung des Klägers zu zahlen. Der Kläger kann hier ein fremdes Recht, nämlich das der Vollkaskoversicherung, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung im Prozesswege verfolgen, weil er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Mit Schreiben vom 24.3.2005 (Bl. 10 d.A.) hat die Vollkaskoversicherung des Klägers diesem angeboten, den Schaden "zurückzukaufen", um dadurch eine Aufhebung der Rückstufung in der Schadensfreiheitsrabattklasse zu erreichen. Dazu müsste der geforderte Betrag auf das Konto der Vollkaskoversicherung gezahlt werden. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass die Versicherung sich damit einverstanden erklärt hat, dass der Kläger auf eigene Rechnung im eigenen Namen versucht, eine Ausgleichszahlung auf das Konto der Versicherung zu erreichen.
b) Darüber hinaus ist auch das für eine zulässige "gewillkürte Prozessstandschaft" geforderte rechtliche Eigeninteresse des Klägers an der Durchsetzung des fremden Rechts zu bejahen. Aufgrund der unfallbedingten Rückstufung hat der Kläger bei Fortbestand der gegebenen Lage künftig mit erheblichem Beitragsmehraufwand zu rechnen (vgl. dazu die Bescheinigung der Vollkaskoversicherung des Klägers vom 3.5.2006, Bl. 118 d.A.). Im Hinblick auf die künftige Fortdauer und Ausgestaltung seines Versicherungsvertrages ist dem Kläger jedoch zu Recht daran gelegen, seinen Vertrag nach Möglichkeit "schadensfrei" zu halten. Es kann auch die eigene Rechtslage des Klägers als Versicherungsnehmer im Rahmen des Versicherungsverhältnisses durch die angestrebte gerichtliche Entscheidung für die Zukunft maßgeblich beeinflusst werden. Das reicht zur Bejahung des Eigeninteresses an der gewillkürten Prozessstandschaft aus (ebenso OLG Köln v. 29.6.1993 - 9 U 237/92, OLGReport Köln 1993, 318 = NJW-RR 1994, 27).
2. Die Klage und damit die Berufung ist überwiegend begründet.
a) Im Gegensatz zur Ansicht des LG kann sich der Kläger auf das Vorfahrtsrecht gem. § 8 Abs. 1 StVO berufen. Zum einen war für den (Messe-) Parkplatz, auf dem es zu dem Unfall zwischen dem Pkw des Klägers und der Beklagten gekommen ist, ausdrücklich die Geltung der StVO angeordnet (vgl. die - unstreitig - für den Parkplatz geltenden Anordnungen auf den Hinweisschildern, Lichtbilder Bl. 6 d.A.). Zum anderen trifft die - nicht näher begründete - Ansicht des LG, die Vorfahrtsregelung gem. § 8 Abs. 1 StVO finde auf öffentlichen Parkplätzen wie hier keine Anwendung, nicht zu. Die...