Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung für zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH führende Zahlungen
Leitsatz (amtlich)
Der Geschäftsführer einer GmbH haftet auch dann für von ihm vorgenommene Zahlungen an Gesellschafter, die erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen müssen, wenn die Gesellschafter (vermutlich zur Umgehung insolvenzanfechtungsrechtlicher Vorschriften oder einer Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG) den Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft nach Vornahme der haftungsauslösenden Leistungen noch 13 Monate lang durch freiwillige Stützungszahlungen hinauszögern.
Normenkette
GmbHG § 64 S. 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 15.11.2011; Aktenzeichen 24 O 64/10) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.11.2011 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des LG Hannover wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten vorbehalten bleibt, seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag decken, den die durch die Darlehensrückzahlung begünstigte Gesellschafterin P. im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 1.000.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger begehrt vom Beklagten als früherem Geschäftsführer der G. GmbH in Höhe eines Teilbetrages von 1.000.000 EUR Erstattung von Zahlungen gem. § 64 Satz 3 GmbHG. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 135 ff. d.A.) verwiesen, mit dem die Kammer der Klage stattgegeben hat, weil die dem Beklagten zur Last gelegte Rückführung von Darlehensforderungen an die die P., die Hauptgesellschafterin der späteren Insolvenzschuldnerin, zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sein erstinstanzliches Prozessziel vollständiger Klagabweisung weiterverfolgt. Er macht geltend, § 64 Satz 3 GmbHG sei restriktiv zu handhaben, die Entscheidung der Kammer damit nicht in Einklang zu bringen. Dass die spätere Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin (die am 25.2.2010 eingetreten sei) nicht kausal auf die Darlehensrückzahlung an die Gesellschafterin P. zurückzuführen sei, sei bereits daran zu erkennen, dass zwischen der Zahlung und der Zahlungsunfähigkeit ein Zeitraum von mehr als 13 Monaten gelegen habe. Nur ein geringer zeitlicher Abstand zwischen Vermögensabfluss und Zahlungsunfähigkeit aber könne Indizwirkung für eine Kausalität haben, ein derart großer wie im vorliegenden Fall spreche gerade dagegen. Nichts anderes habe auch der Beklagte als Geschäftsführer annehmen dürfen, denn schließlich habe es eine "gelebte Zahlungszusage" der Gesellschafterin gegeben. Als er, der Beklagte, angewiesen worden sei, das Darlehen an die P. zurückzuzahlen, sei ihm von den Herren S. und B. im Namen der (Muttergesellschaft) D. verbindlich zugesagt worden, die notwendige Liquidität der Schuldnerin sicherzustellen. Daran zu zweifeln, habe er keinen Anlass gehabt, zumal die Insolvenzschuldnerin die sog. "Küche des Jahres" für die D.-Gruppe herstellen sollte, was für den Fall, dass die Schuldnerin gleichwohl fallen gelassen werden sollte, einen schweren Imageschaden verursacht hätte. Tatsächlich habe die spätere Insolvenzschuldnerin durch die D.-Gruppe insgesamt höhere Beträge erhalten, als für die Darlehensrückzahlung aufgewendet worden seien. Die Schuldnerin sei durch die letztgenannte Zahlung auch nicht zahlungsunfähig geworden, weil sämtliche Verbindlichkeiten bis zum Insolvenzantrag ausgeglichen werden konnten; erst die Mitteilung der Herren S. und B. vom 25.2.2010, die Finanzierungszusage zurücknehmen zu wollen, habe die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt.
Nach der Darlehensrückzahlung von 4.943.271 EUR seien an die Insolvenzschuldnerin Mittel i.H.v. insgesamt 5.705.000 EUR geflossen, weshalb die Rückzahlung nicht kausal für die Zahlungsunfähigkeit sein könne. Die bloße Möglichkeit einer später fehlenden Liquidität genüge für die Anwendung des § 64 Satz 3 GmbHG nicht, weil dafür eine Zwangsläufigkeit erforderlich sei. Diese habe angesichts der Zusage der Weiterfinanzierung gefehlt, was sich in den nach der Rückzahlung liegenden folgenden 13 Monaten bewahrheitet habe.
Hilfsweise sei zu rügen, dass das LG zumindest einen Gegenanspruch des Beklagten gegen den Kläger im Wege einer Zug-um-Zug-Verurteilung hätte berücksichtigen müssen. Außerdem habe dem Beklagten im Urteil vorbehalten werden müssen, seinen Gegenanspruch nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Der Kläger verteidig...