Leitsatz (amtlich)
1. Ein ausländischer Versicherer kann sich nicht auf Leistungsfreiheit gem. § 12 Abs. 3 VVG berufen, wenn das Ablehnungsschreiben mit der Rechtsfolgenbelehrung nicht von ihm, sondern von einer für ihn im Inland als "backoffice" handelnden GmbH stammt, diese aber für den Versicherungsnehmer ersichtlich nur im eigenen Namen handelt, und aus dem Versicherungsschein sowie den Versicherungsbedingungen der Versicherer nicht eindeutig hervorgeht, der Versicherungsnehmer indessen ausdrücklich wegen sämtlichen Schriftverkehrs, Willenserklärungen und Zahlungen an die GmbH verwiesen wird.
2. Es liegt keine auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 (5) AUB 88 gerichtete Fahrtveranstaltung vor, wenn bei einem als "Zuverlässigkeitsfahrt" ausgeschriebenen Motorradrennen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h vorgeschrieben ist, und sowohl bei Unterschreitung als auch bei Überschreitung der hiernach bemessenen Soll-Ankunftszeiten an den Zeitkontrollen Strafzeiten verhängt werden.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.09.2002; Aktenzeichen 18 O 6003/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.9.2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach Maßgabe des Versicherungsvertrages Nr. ... Versicherungsschutz für den Unfall vom 10.9.2000 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, soweit über diese noch nicht durch Beschluss des LG vom 10.8.2002 entschieden worden ist.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 9.500 Euro abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 48.102,34 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Versicherungsschutz für einen Unfall vom 10.9.2000 zu gewähren.
Am 27.3.2000 schloss der Kläger mit Wirkung ab dem 1.5.2000 mit der Beklagten einen Vertrag über eine Unfallversicherung mit einer Invaliditätssumme von 200.000 DM. Der Versicherungsschein ist unterzeichnet von einer A. Ferner heißt es in dem Versicherungsschein (Bl. 6 d.A.):
"Bei Rückfragen bzw. Schriftwechsel wenden Sie sich bitte an den Beauftragten des Versicherers:
A."
Drucktechnisch kleiner heißt es dann am Ende des Versicherungsscheins:
"Versicherer: B.".
In den beigefügten Versicherungsbedingungen (Bl. 8 - 22 d.A.) wird sodann mitgeteilt:
"Ihre Versicherer sind:
C.
D.
Sämtlichen Schriftverkehr, Willenserklärungen sowie Zahlungen richten Sie bitte an:
A.".
Gemäß § 1 Ziff. 1 des "A. - Allgemeine Bestimmungen" ist die Firma A. das Backoffice des Versicherers. A. ist nach § 1 Ziff. 4 in vertragsrelevanten Angelegenheiten vom Versicherer bevollmächtigt, diesen vor dem Kunden zu vertreten und für ihn bindende Erklärungen abzugeben. § 13 sieht ferner vor, dass für Klagen gegen den Versicherer als Gerichtsstand der handelsregisterliche Sitz der A. als vereinbart gilt.
Der Kläger nahm am 10.9.2000 an einer vom ... ausgetragenen Motorrad-Veranstaltung teil. Ausgeschrieben wurde diese vom ... als "28. ... Enduro Zuverlässigkeitsfahrt" (Bl. 117-124 d.A.). Der Kläger startete hierbei in der Klasse 9 "Serien-Enduro-Motorräder ohne Hubraumbeschränkung" (Bl. 81, 96 d.A.). In den Ausschreibungsunterlagen heißt es ferner (Bl. 82 d.A.):
"14. Zuverlässigkeitsfahrt
Die Zuverlässigkeitsfahrt unterteilt sich in Fahrtabschnitte, deren Distanz höchstens 50 km beträgt .... Für die Fahrtabschnitte sind bestimmte Fahrzeiten ("Soll-Zeiten") vorgeschrieben, die sich aus folgenden Grunddurchschnitten errechnen:
Solo-Klassen = 40 km/h
...
Je nach Streckenabschnitt oder Witterungsverhältnissen kann dieser Grunddurchschnitt wie folgt reduziert oder erhöht werden:
Solo-Klassen 30-50 km/h
...
Jeder Fahrtabschnitt wird für sich gewertet.
15. Zeitkontrollen
Zeitkontrollen (ZK) dienen der Überwachung der vorgeschriebenen Soll-Fahrtzeiten ...
Es ist den Fahrern untersagt, die gelbe Flagge vor oder nach der Soll-Ankunftszeit mit ihren Motorrädern zu passieren. Zuwiderhandlungen werden mit 60 Strafsekunden pro Minute verfrühter oder verspäteter Ankunft ggü. der Soll-Ankunftszeit bestraft. Fahrer, die mehr als 30 min. Verspätung ggü. ihrer Original-Soll-Ankunftszeit an einer Zeitkontrolle eintreffen, werden ausgeschlossen ..."
Bei dieser Fahrt erlitt der Kläger der Kläger einen Unfall. Hierzu erklärte er in seiner Anhörung vor dem Senat am 5.9.2003 (Bl. 231 d.A.).:
"Während des Rennens bemerkte ich nach einer Kurve, dass von einem voranfahrenden Motorrad Steine aufgeworfen wurden und es schlug mir etwas ins Auge. Ich habe dann sofort angehalten und gemerkt, dass ich auf dem Auge nicht mehr richtig sehen konnte. Es war schlicht dunkel und ich sah nichts mehr. Ich bin dann zum nächsten Kontrollposten in ca. 400/500 m Entfernung gefahren und habe dort einen Anwesenden gebeten, sich das einmal ...