Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Kausalitätsnachweis bei unklarer Haftung

 

Leitsatz (amtlich)

Kann ein Versicherungsnehmer, der seinen Wohngebäudeversicherer gewechselt hat, nicht i.S.v. § 286 ZPO nachweisen, zu welcher Zeit ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, so dass nicht geklärt werden kann, welcher der Versicherer einzustehen hat, geht diese Unklarheit zu Lasten des Versicherungsnehmers. Die Beweisnot des Versicherungsnehmers kann weder prozessrechtlich noch materiell-rechtlich überwunden werden.

 

Normenkette

ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 01.09.2011; Aktenzeichen 8 O 55/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 1.9.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 40.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Versicherungsleistungen wegen eines Leitungswasserschadens in seinem Haus geltend.

Für sein 1974 errichtetes Einfamilienhaus in C. unterhielt der Kläger bis zum 30.6.2003 eine Wohngebäudeversicherung bei der Streithelferin, ab dem 1.7.2003 bei der Beklagten (Versicherungsschein Bl. 23, VGB 88, Bl. 61 ff.). Am 24.7.2004 stellte er in der Küche Durchfeuchtungen fest, für die eine Leckage an der Kaltwasseranschlussleitung des Geschirrspülers in der Küche ursächlich war (Schadenanzeige Bl. 74 ff.).

Der von der Beklagten beauftragte Dipl.-Ing. S. äußerte sich unter dem 16.8.2004 (Bl. 79 ff.) dahingehend, es könne

"aufgrund des zuvor beschriebenen Schadenbildes (...) zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der hier in Rede stehende Schaden ursächlich bereits vor Beginn des aktuellen Versicherungsvertrages entstanden sein muss" (Bl. 83).

Demgegenüber heißt es in dem von der Streithelferin veranlassten Gutachten des Dipl.-Ing. H. vom 2.9.2004 (Bl. 11 ff. in 20 OH 11/04):

"Der Schadenverlauf und der Schadenumfang (...) verweisen aus Sicht der Sachverständigen eindeutig darauf, dass der Schaden maximal nur wenige Monate, vielleicht sogar nur einige Wochen vor Schadenfeststellung eingetreten ist." (ebenda, Bl. 16).

Mit Schriftsatz vom 26.10.2004 hat der Kläger beantragt, im Wege der Beweissicherung ein schriftliches Gutachten dazu einzuholen, dass der in seinem Haus vorhandene Wasserschaden durch eine vor dem 1.7.2003 eingetretene Leckage an der Frischwasserleitung verursacht worden sei. Zu den Behauptungen des Klägers hat das LG im selbständigen Beweisverfahren 20 OH 11/08 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens beschlossen. Zum Gutachter hat es den Architekten Dipl.-Ing. W. bestellt. Dieser hat zwischen 2005 und 2008 ein schriftliches Gutachten sowie vier ergänzende schriftliche Stellungnahmen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG vom 4.12.2009 hat er seine gutachterlichen Stellungnahmen erläutert. Die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt der Leckage hat der Sachverständige nicht beantworten können, ein Beginn des Wasseraustritts vor dem 1.7.2003 sei "eher unwahrscheinlich", aber aus technischer Sicht "nicht auszuschließen". Mit Beschluss vom 9.11.2006 hat das LG die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Frage des genauen Zeitpunkts der Entstehung der Leckage angeordnet. Die ersten beiden zur Erstattung des Gutachtens vorgesehenen Einrichtungen haben sich zur Erstattung eines Gutachtens außerstande gesehen. Die gemäß Beschluss vom 13.4.2007 beauftragte Materialprüfungsanstalt Braunschweig hat erklärt, dass ihre Korrosionsfachleute aufgrund der bestehenden Faktenlage keine seriöse Möglichkeit sähen, einen schlüssigen Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die zeitliche Entstehung der Leckage zu führen. Auch die mit Beschluss vom 12.9.2008 beauftragte Gesellschaft für

Materialprüfung und Anlagensicherheit des TÜV-Nord hat mit Schreiben ihres Geschäftsführers vom 10.2.2009 mitgeteilt, dass es sehr schwierig sein werde, eine genaue Aussage bezüglich des Schadeneintritts zu treffen; man sei auf Spekulationen angewiesen. Weiter hat der TÜV mit Schreiben vom 27.5.2009 darauf hingewiesen, dass eine taggenaue Ermittlung unmöglich sei. Die Weigerung des LG, sodann eine weitere Begutachtung durchzuführen, war Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat (8 W 65/09).

Vorliegend hat der Kläger die Auffassung vertreten, es gebe eine Reihe von Indizien, die dafür sprächen, dass die Schadensursache erst nach dem 1.7.2003 eingetreten sei.

Auch die Berechnungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen W. hätten letztlich ergeben, dass der Schaden in den Versicherungszeitraum der Beklagten falle, so dass zumindest ein Anscheinsbeweis dafü...

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