Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines GmbH-Geschäftsführers auf Gehalt, Übergangsgeld und Abfindung ist ein Urkundenprozess statthaft, wenn die anspruchsbegründenden Voraussetzungen durch Urkunden nachweisbar oder unstreitig sind, und zwar auch dann, wenn sich die beklagte Gesellschaft auf eine (streitige und nicht mit Urkunden beweisbare) außerordentliche Kündigung beruft und der Kläger die Zahlung der vertraglich vorgesehenen Bruttobeträge verfolgt.
Normenkette
BGB § 611; ZPO § 592 ff.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 30.07.2008; Aktenzeichen 22 O 9/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.7.2008 verkündete Vorbehaltsurteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hannover wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass es sich bei den vom LG zugesprochenen Zahlungen um Bruttobeträge handelt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, früherer Geschäftsführer der Beklagten, begehrt von dieser im Wege eines Urkundsverfahrens Geschäftsführergehalt, Übergangsgeld und eine Abfindung. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird auf das angefochtene Vorbehaltsurteil Bezug genommen, mit dem der Klage ganz überwiegend stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten worden ist.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Prozessziel vollständiger Klagabweisung weiter. Schon im Urkundsverfahren sei belegt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten beendet worden sei, weil jener das maßgebliche Kündigungsschreiben vom 21.12.2007 (Anlage K 4 im gesonderten Hefter) selbst vorgelegt habe. Außerdem habe der Kläger die Kündigungsgründe (nämlich "schwere Verfehlungen") ebenfalls selbst vorgetragen. Ohnehin sei das Urkundsverfahren für Ansprüche des aus wichtigem Grunde gekündigten Geschäftsführers vom Grundsatz her nicht geeignet, weil die Prozessrisiken einseitig auf die anstellende Gesellschaft überbürdet würden. Aus den gleichen Gründen könne der Kläger zudem weder Übergangsgeld noch Abfindung beanspruchen. Darüber hinaus habe das LG die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung der Bruttobeträge verurteilt, was dem Kläger die nicht statthafte Möglichkeit gebe, auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zur Zahlung an sich selber zu vollstrecken. Letztlich sei das Urkundsverfahren für auf Bruttobeträge gerichtete Zahlungsansprüche nicht einmal statthaft, wie sich aus einer Entscheidung des OLG Düsseldorf ergebe.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das LG hat mit zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, denen der Senat beitritt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, der Urkundsklage (abgesehen von einem kleinen Teil der Nebenansprüche) stattgegeben und die Beklagte im Wege eines Vorbehaltsurteils verurteilt. Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist folgendes festzuhalten:
1. Das Urkundsverfahren ist - auch in Ansehung dessen, dass der Kläger Ansprüche auf Vergütung für seine Dienste als vormaliger Geschäftsführer der Beklagten verfolgt - statthaft. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere nicht die von ihr als unangemessen empfundene Risikoverteilung mit Blick auf die streitige außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags entgegen. Es ist gerade der (vom Gesetzgeber gewollte) Sinn des Urkundsprozesses, Zahlungsansprüche, deren Voraussetzungen durch Urkunden bewiesen werden können, auf schnelle (wenn auch vorläufige) und damit für den Gläubiger vorteilhafte Weise titulieren zu können. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber dem Schuldner eines entsprechenden Urkundenvorbehaltsurteils als Korrektiv hinsichtlich der Vollstreckungsrisiken die Möglichkeit zur Seite gestellt, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 707 Abs. 1 Satz 1, 3. Alt. ZPO stellen zu können.
Für Ansprüche aus Dienstvertrag, hier Geschäftsführeranstellung, gilt nichts anderes; insbesondere ist nicht etwa die Vorschrift des § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG (die das Urkundsverfahren im Arbeitsgerichtsprozess ausschließt) entsprechend anwendbar. Selbst wenn man mit der Beklagten einen "offensichtlichen Wertungswiderspruch" annehmen wollte, weil ein Geschäftsführer, anders als ein Arbeitnehmer, seine Gehaltsansprüche zunächst im Urkundsverfahren verfolgen darf, ist dieser jedenfalls vom Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen worden, das Urkundsverfah...