Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Prüfungsumfang eines Projektsteuerers im Einzelfall bei einer Schimmelpilzsanierung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung eines Sanierungskonzeptes zur Beseitigung von Schimmelpilzbefall in einem geschlossenen Rohbau sind Schimmelpilz- und Schimmelpilzsanierungsleitfäden zu Rate zu ziehen, auch wenn sie keine allgemein anerkannten Regeln der Technik sind, weil sie das derzeit einzige Regelwerk bilden, das die wesentlichen Erkenntnisse von Medizinern und Biologen zum Schimmelpilzbefall und seiner Beseitigung darstellen.
Die Pflichten eines Projektsteuerers - auch in AbgR.ung zu einem mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten - bestimmen sich nach den im Einzelfall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien des Projektsteuerungsvertrages.
Wenn der Projektsteuerer typische Architektenziele der Bauüberwachung und Qualitätskontrolle der Ausführungsleistung übernimmt und zusagt, auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu achten, und bei der Auswahl einer geeigneten Sanierungsmethode zur Beseitigung von Schimmelpilzbefall in einem geschlossenen Rohbau eines Schulgebäudes keine Bedenken gegen ein Sanierungskonzept anmeldet, das die Empfehlungen des Schimmelpilzsanierungsleitfadens missachtet, haftet er gesamtschuldnerisch neben dem Architekten auf Schadensersatz.
Normenkette
BGB §§ 280-281, 634 Nr. 4, § 636
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 3 O 354/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 2) und auf die Anschlussberufung des Klägers wird das am 19. Januar 2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim ≪3 O 354/12 ≫ unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten zu 2) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 109.940,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. November 2012 zu zahlen.
Der Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger 52.500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 52.500,- EUR seit dem 10. November 2012 sowie aus 109.940,72 EUR für die Zeit vom 10. bis zu 12. November 2012 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass nach dem Auftreten von Schimmelpilzbildungen im Erweiterungsbau der Berufsschule ... in G., ..., zunächst ein Sanierungsversuch mittels der Produkte "Sp." und "I. GN" der Firma R. Baustofftechnik vorgenommen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) darüber hinaus verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass es im Erweiterungsbau der Berufsschule ... in G., ..., im Winter 2009/2010 zu Schimmelpilzbildungen gekommen ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage des Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz einschließlich des selbstständigen Beweisverfahrens des Landgerichts Hildesheim ≪3 OH 6/11 ≫ haben zu tragen: von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers der Kläger 16 %, der Beklagte zu 1) 42 % und der Beklagte zu 2) 42 %; von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) der Kläger 3 % und der Beklagte zu 1) 97 %; von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) der Kläger 26 % und der Beklagte zu 2) 74 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben zu tragen: von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers der Kläger 3 %, der Beklagte zu 1) 49 % und der Beklagte zu 2) 48%; von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) der Kläger 5 % und der Beklagte zu 2) 95 %; der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 209.430,72 EUR für die Zeit bis zum 17. Mai 2018 und auf 237.180,72 EUR seit dem 18. Mai 2018 festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Grund und Höhe der Haftung der Beklagten für das Auftreten und die Sanierung von Schimmelpilzbefall im Erweiterungsbau der Berufsschule II in G., den der Kläger im Jahre 2009/2010 errichten ließ. Der Beklagte zu 1) erbrachte Architektenleistungen (Leistungsphasen 1 bis 8) für das Bauvorhaben; der Beklagte zu 2) war als Projektmanager für den Kläger tätig. Im Winter 2009/2010 - als sich der Bau noch im (geschlossenen) Rohbau befand - bildete sich Schimmelpilz an Sparren und OSB-Platten im Deckenbereich. Dies wurde ...