Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 09.02.2005; Aktenzeichen 5 O 261/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.2.2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Stade abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Rechtsstreits wird - zugleich in Abänderung der in dem angefochtenen Urteil vorgenommenen Streitwertfestsetzung - auf bis zu 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am 22.4.1968 geborene Kläger nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 12.5.1999 gegen 17:00 Uhr außerorts auf der Kreisstraße 110 zwischen A. und O. im Landkreis R. ereignete.
Der Kläger wollte mit einem Lkw Sand bei der Firma P. anliefern. Zu diesem Zweck hielt er am rechten Fahrbahnrand der an dieser Stelle 5,4m breiten Straße an und stieg aus. In diesem Moment wurde er von dem vom Beklagten zu 3 geführten Kleintransporter erfasst, der die K 110 in der Gegenrichtung befuhr. Der Kläger wurde bei diesem Unfall schwer verletzt, während sein Lkw unbeschädigt blieb.
Der Kläger hat behauptet, vor dem Aussteigen aus dem Führerhaus die Warnblinkanlage des Lkw eingeschaltet zu haben. Der Beklagte zu 3 habe sich mit seinem Fahrzeug gleichwohl mit unverminderter Geschwindigkeit, die zudem überhöht gewesen sei, der späteren Unfallstelle genähert.
Der Kläger hat unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von 50.000 DM, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 150 DM, eine weitere monatliche Rente von 300 DM wegen vermehrter Bedürfnisse zzgl. eines insoweit entstandenen Rückstandes von 6.000 DM sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden - ebenfalls unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens - geltend gemacht.
Die Beklagten haben behauptet, dass der Beklagte zu 3 mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h gefahren sei, die er angesichts des am Fahrbahnrand stehenden Lkw des Klägers auf 74 km/h verringert habe. Als der Beklagte zu 3 sich dem Lkw bis auf 50m genähert gehabt habe, sei der Kläger plötzlich rückwärts aus dem Fahrzeug auf die Fahrbahn gesprungen. Der Unfall sei deshalb für den Beklagten zu 3 unvermeidbar gewesen.
Das LG hat der Klage nach Vernehmung von drei Zeugen und sachverständiger Aufklärung durch ein Unfallrekonstruktionsgutachten des Sachverständigen S. und durch ein medizinisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie machen weiterhin geltend, dass sie schon dem Grunde nach nicht hafteten, weil der Unfall für den Beklagten zu 3 unvermeidbar gewesen sei. Jedenfalls trete die von dem Kleintransporter ausgehende Betriebsgefahr aber vollständig hinter dem groben Mitverschulden des Klägers zurück.
Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die Beklagten haften dem Kläger schon dem Grunde nach nicht für die bedauerlichen Folgen des Verkehrsunfalls vom 12.5.1999.
1. Im Gegensatz zur Auffassung des LG lässt sich kein Verschulden des Beklagten zu 3 am Zustandekommen dieses Unfalls feststellen. Dies gilt selbst dann, wenn man der (von den Beklagten im Berufungsverfahren nicht angegriffenen, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme aber auch zutreffenden) Feststellung des LG folgt, dass der Kläger die Warnblinkanlage seines Lkw bereits vor dem Unfall in Gang gesetzt hatte.
a) Nach den Ausführungen in dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Phys. K. S. vom 2.9.2002 wäre der Unfall zunächst vermeidbar gewesen, wenn der Beklagte zu 3 sich der Unfallstelle statt mit einer Geschwindigkeit von 74 bis 78 km/h lediglich mit einer solchen von 45 km/h genähert hätte (s. S. 10 des Gutachtens). Der Beklagte zu 3 war jedoch von Rechts wegen nicht verpflichtet, die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs bei den am Unfalltag herrschenden guten Rahmenbedingungen auf der übersichtlichen Landstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf ein derart niedriges Niveau her...