Leitsatz (amtlich)

1. Führt der Architekt, obwohl er vertraglich dazu verpflichtet ist, kein Bautagebuch, so ist die Vergütung für die Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI um 0,5 % zu mindern.

2. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf es nicht, wenn der Architekt ein Bautagebuch nicht geführt hat. Die nachträgliche Erstellung des Bautagebuches kommt nicht in Frage.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 12.03.2004; Aktenzeichen 4 O 26/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hannover vom 12.3.2004 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Das Versäumnisurteil vom 26.9.2003 wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 35.007,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.9.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 43.442,53 EUR.

 

Gründe

I. Hinsichtlich der tatbestandlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das Urteil des LG (Bl. 451 f. d.A.).

Das LG hat der - auf Zahlung von Architektenhonorar gerichteten - Klage durch Versäumnisurteil vom 26.9.2003 (Bl. 267 d.A.) stattgegeben und dieses auf den fristgerechten Einspruch des Beklagten aufrecht erhalten.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er behauptet im Wesentlichen, es habe bezüglich der Leistungsphasen 1 - 4 nach § 15 HOAI eine Pauschalpreisvereinbarung gegeben, ebenfalls bezüglich der Leistungsphasen 5 bis 7. Zudem habe der Kläger seine Leistung nicht vollständig erbracht. Das gelte auch für die Leistungsphase 8; hier habe es am Führen eines Bautagebuches sowie an der Auflistung der Gewährleistungsfristen gefehlt. Außerdem sei der Umbauzuschlag i.H.v. 20 % zu Unrecht angesetzt worden.

Hilfsweise rechnet der Beklagte ggü. der Klageforderung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Baukostenüberschreitung i.H.v. insgesamt 8.163,02 EUR auf (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2005, Bl. 593 d.A.). Die Gegenforderung setzt sich zusammen aus Mehraufwand i.H.v. 5.000 EUR für eine Nachfinanzierung (S. 5 des Schriftsatzes vom 18.2.2005, Bl. 523 d.A.), weiteren zusätzlichen Kosten von 811,22 EUR für fehlerhaft verlegte Grundleitungen (S. 3 des Schriftsatzes vom 25.8.2005, Bl. 575 d.A.) und Mehrkosten i.H.v. 2.351,80 EUR aufgrund eines Messfehlers des Klägers (S. 4 des Schriftsatzes vom 25.8.2005, Bl. 576 d.A.).

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Hannover vom 12.3.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II. Die zulässige Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1. Zutreffend hat das LG hinsichtlich der Leistungsphasen 1-7 keine Kürzung der Klageforderung vorgenommen.

a) Eine Pauschalpreisvereinbarung hat der Beklagte nicht nachweisen können. Die in der HOAI festgesetzten Mindestsätze können zwar gem. § 4 Abs. 2 HOAI durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden. Eine solche schriftliche Vereinbarung existiert vorliegend aber nicht. Der Beklagte hat auch nicht ausreichend dargelegt, warum es dem Kläger hier verwehrt sein soll, sich auf das Schriftformerfordernis zu berufen. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass gesetzliche Formvorschriften - wie in § 4 HOAI - im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen unbeachtet gelassen werden dürfen. Deshalb sind Ausnahmen von diesen Formvorschriften nur in ganz besonderen Fällen zulässig, nämlich dann, wenn es nach den Beziehungen der Vertragspartner und den Gesamtumständen mit Treu und Glauben völlig unvereinbar wäre, die vertragliche Abrede am Formmangel scheitern zu lassen. Allein "harte" Folgen für die davon betroffene Vertragspartei sollen nicht genügen. Die Folgen müssen vielmehr schlechthin untragbar sein (OLG Hamm v. 9.6.2004 - 12 U 126/03, OLGReport Hamm 2004, 281 = MDR 2005, 30; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 4 Rz. 22; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 739; jeweils m.w.N.).

Entsprechende schlechthin untragbare Folgen hat der Beklagte jedoch - auch auf den Hinweis des Senats im Beschl. v. 6.1.2005 (Bl. 506 f. d.A.) - nicht vorgetragen. Ein Vertrauenstatbestand lässt sich hier weder aus dem zwischen der neu aufgestellten Schlussrechnung und der erstmaligen Berechnung und Bezahlung verstrichenen Zeitraum von fast 2 ½ Jahren herleiten, wie der Beklagte meint, noch aus den ...

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