Entscheidungsstichwort (Thema)

Ein schwerer Verfahrensverstoß ist zu bejahen beim Außerachtlassen mehrerer Aufforderungen zur Überprüfung einer unrichtigen Rechtsauffassung.

 

Leitsatz (amtlich)

Ein schwerer Verfahrensverstoß, der gemäß § 21 GKG eine Niederschlagung der Gerichtskosten rechtfertigt, ist zu bejahen, wenn mehrere Aufforderungen zur Überprüfung einer unrichtigen Rechtsauffassung missachtet werden und eine Partei hierdurch in eine begründete Berufung getrieben wird.

 

Normenkette

GKG § 21

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 8 O 264/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. August 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden ≪8 O 264/17 ≫ teilweise abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass die Formulierung "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." ersatzlos gestrichen wird und die Kostenentscheidung wie folgt lautet:

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

(§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):

I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden hat zu Unrecht tenoriert, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird und eine fehlerhafte Kostenentscheidung getroffen. Die Klägerin ist in dem streitgegenständlichen Rechtsstreit nicht unterlegen. Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten aufzuerlegen.

Die Klägerin hat mit ihrem Klageantrag zu Ziffer 1) von der Beklagten ein Schmerzensgeld bezahlt verlangt, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sowie mit ihrem Klageantrag zu Ziffer 2) die Zahlung von materiellen Schadensersatz in Höhe von 583,41 EUR begehrt und mit ihrem Klageantrag zu Ziffer 3) die Feststellung beansprucht, dass die Beklagte zur zukünftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht aus dem Unfallgeschehen vom 11. Dezember 2014 verpflichtet ist, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Ihre Schmerzensgeldvorstellungen hat die Klägerin in der Klageschrift vom 4. Oktober 2017 auf 8.000,- EUR abzüglich vorprozessual bereits gezahlter 2.000,- EUR, mithin auf 6.000,- EUR, beziffert (Bl. 5 d. A.). In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2019 (Bl. 172, 173 d. A.) hat die Einzelrichterin darauf hingewiesen, dass ein Schmerzensgeldbetrag von bis zu 12.000,- EUR angemessen sein dürfte (Bl. 173 d. A.). Auf Anraten des Gerichts haben die Parteien sodann einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, einen Betrag von 8.000,- EUR als weiteres Schmerzensgeld zu zahlen (insgesamt also 10.000,- EUR); von den Kosten des Rechtsstreits sollte die Klägerin 25 % tragen (Bl. 173 d. A.). Unstreitig haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung die Kostenquote zuvor diskutiert, wobei der Beklagtenvertreter erklärt hatte, eine 100 %-ige Kostenübernahme durch die Beklagte könne er im Vergleichswege nicht durchsetzen. Der Streitwert ist auf 12.000,- EUR festgesetzt worden (Bl. 173 d. A.). Die Klägerin hat sich eine Widerrufsmöglichkeit vorbehalten, die sie fristgerecht wahrgenommen hat (Bl. 173, 176 d. A.). Die Klägerin hat den Widerruf des Vergleichs damit begründet, dass die Kostenverteilung zu Erstattungsproblemen im Hinblick auf die gewährte Prozesskostenhilfe führen könnte. Sie hat sich zum erneuten Vergleichsabschluss unter der Maßgabe bereit erklärt, dass die Kostenentscheidung dem Gericht vorbehalten bleibe (Bl. 174 d. A.). Es wurde dann gemäß § 128 Abs. 2 ZPO verfahren.

Mit dem angefochtenen Urteil hat die Einzelrichterin die Beklagte zur Zahlung von weiteren 8.000,- EUR als Schmerzensgeld sowie von 583,41 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2016, verurteilt, sowie festgestellt, dass die Beklagte zur künftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzleistung anlässlich des streitgegenständlichen Unfallgeschehens verpflichtet ist, soweit kein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist. Im Übrigen hat sie die Klage abgewiesen. Die Kostenquote von 28 % zu 72 % zulasten der Beklagten folge aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Mit Schriftsatz vom 6. September 2019 (Bl. 196, 197 d. A.) hat die Klägerin gemäß §§ 319, 320 ZPO eine Berichtigung des Tenors und des Tatbestands dahin beantragt, dass sie nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,- EUR insgesamt begehrt habe, sodass es nicht zu einem Teilunterliegen gekommen sei. Mit Beschluss vom 25. September 2019 (Bl. 200, 201 d. A.) hat die Einzelrichterin diesen Antrag zurückgewiesen, weil die Kostenquote zutreffend berechnet worden sei ...

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