Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Haushaltsführungsschadens. Schmerzensgeld bei schweren Verletzungen und ständiger Hilfebedürftigkeit bei allen täglichen Verrichtungen und der Körperhygiene ohne Mitverschulden der Geschädigten
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Der Haushaltsführungsschaden ist anhand des Nettolohns einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft richterlich zu schätzen.
b) Kann die Geschädigte den Haushalt weiter leiten, so genügt für dessen Fortführung in der Regel eine Zugehfrau, deren Stundensatz mit 8 EUR zu bemessen ist.
2. Sind keine minderjährigen Kinder im Haushalt, so erscheint ein Zeitaufwand von 40 Stunden pro Woche als plausibel. Dabei sind noch im Haushalt wohnende volljährige und berufstätige Kinder zu berücksichtigen, auch wenn die Geschädigte diesen rein unterhaltsrechtlich zur Führung des Haushalts nicht mehr verpflichtet ist.
3. Im Einzelnen ist der Haushaltsführungsaufwand wie folgt zu bemessen:
a) bei drei erwachsenen im Haushalt lebenden Kindern auf 45 Stunden (36 Stunden Geschädigte, je drei Stunden für die Kinder);
b) bei zwei erwachsenen im Haushalt lebenden Kindern auf 41 Stunden (35 Stunden für die Klägerin und je drei Stunden für die Kinder);
c) bei einem noch im Haushalt lebenden Kind auf 37 Stunden (34 Stunden für die Geschädigte, drei Stunden für das Kind)
d) sowie bei alleiniger Haushaltsführung 33 Stunden.
4. Auch die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens, weshalb der Schädiger daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen hat, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.
5. 90000 EUR Schmerzensgeld für eine zum Unfallzeitpunkt 39-jährige Frau, die bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde.
229 Tage stationäre Behandlung (fünf KH-Aufenthalte) einschließlich stationärem Aufenthalt in einer Reha-Einrichtung.
Noch sechs Monate nach dem Unfall war nur ein Gehen am Rollator möglich. Als Dauerfolgen bestehen Behinderungen an beiden Armen, großflächige Narbenbildungen und häufige Kopfschmerzen; sie ist insbesondere bei der Körperhygiene auf fremde Hilfe angewiesen, da sie den Darmausgang nach dem Toilettengang nicht selbständig säubern.
Schmerzensgeldbestimmend war u.a. auch das schwere Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten, der im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit durch Abkommen von der Fahrbahn bei hoher Geschwindigkeit den Frontalzusammenstoß verusacht hatte.
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 31.08.2007; Aktenzeichen 8 O 469/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31. August 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden in seiner gemäß dem Beschluss des Landgerichts vom 22. Oktober 2007 berichtigten Fassung teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 5.165,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22. Oktober 2005 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 55 % und der Beklagten zu 45 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die am ... 1954 geborene Klägerin macht gegen die Beklagte aufgrund eines vom Versicherungsnehmer der Beklagten in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand allein verschuldeten Verkehrsunfalles am 15. Juni 1995, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde und für dessen Folgen die Beklagte unstreitig zu 100 % haftet, Ansprüche auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes sowie Ersatz ihres Haushaltsführungsschadens und der Kosten eines zur Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Haushaltsführung eingeholten Privatgutachtens geltend.
Nachdem die Beklagte vorgerichtlich auf die Schmerzensgeldansprüche 80.000 € und auf den Haushaltsführungsschaden für die Zeit vom 15. Juni 1995 bis 30. September 2005 15.919,36 € gezahlt hatte, hat die Klägerin in erster Instanz zum Ausgleich ihrer Beeinträchtigung in der Haushaltsführung für den vorgenannten Zeitraum weitere 85.218,18 € auf der Basis eines behaupteten wöchentlichen eigenen Stundenaufwandes von 40 Stunden bis 31. Mai 1996, 43 Stunden bis 31. Mai 1997, 47 Stunden bis 30. April 2002 und 52 Stunden ab 1. Mai 2002 sowie Zahlung eines zusätzlichen angemessenen Schmerzensgeldes in Form einer monatlichen Rente von 350 € und Ersatz der Gutachterkosten von 1.096,78 € - jeweils mit Rechtshängigkeitszinsen - begehrt. Die Beklagte hat die Ansprüche in vollem Umfang für unbegründet erachtet. Wegen der weiteren Ein...