Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 28.07.2020; Aktenzeichen 2 O 15/19) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 28. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Vertrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer psychischen Erkrankung geltend.
Die Tochter des Klägers, F. P., wurde im Alter von fünf und sechs Jahren von dem Beklagten sexuell missbraucht. Der Beklagte wurde deswegen durch Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 17.06.2016 (Az: 31 KLs 1303 Js 5522/15 (7/16) u.a. wegen sexuellen Missbrauchs der F. P. in 10 Fällen rechtskräftig verurteilt. Wegen der Feststellungen der Strafkammer zum Tatgeschehen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 6 Bd. I d.A.) verwiesen.
Der Kläger behauptet, er habe eine tiefgreifende reaktive depressive Verstimmung erlitten, nachdem er von den Vorfällen Kenntnis erlangt habe. Er habe diese bei einer Psychologin mittels einer Hypnosetherapie behandeln lassen. Während der Dauer der Ermittlungen und des gerichtlichen Verfahrens sei der Kläger vom 09.06.2015 bis zum 05.08.2016 arbeitsunfähig gewesen. Er sei in dieser Zeit gedanklich immer mit dem Geschehen um seine Tochter beschäftigt gewesen und sei deshalb in seiner Konzentrations- und Antriebsfähigkeit ganz erheblich eingeschränkt gewesen. Eine Stabilisierung seiner psychischen Verfassung habe sich erst mit Abschluss des Verfahrens langsam einstellen können. An die Krankschreibung habe sich eine sechswöchige Wiedereingliederung angeschlossen. Die erlittene Beeinträchtigung, die auf der Kenntniserlangung der Taten des Beklagten zum Nachteil der Tochter des Klägers beruhe, gehe nach Art und Schwere deutlich über das hinaus, was Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß als Beeinträchtigung erleiden.
Der Beklagte tritt dem Anspruch entgegen und bestreitet, dass der Kläger selbst durch die dem Beklagten zur Last gelegten Taten psychisch beeinträchtigt wurde. Der Kläger und seine Frau ließen sich - was unstreitig ist - für eine Presseveröffentlichung der Bild-Zeitung freiwillig ablichten. Ein solches Verhalten sei mit der behaupteten psychischen Erkrankung nicht zu vereinbaren. Die Tochter des Klägers habe aus dem in Rede stehenden Geschehen keine eigene Belastung erlitten. Der Beklagte ist der Ansicht, die Schutzwirkung der Rechtsprechung für mittelbar Geschädigte greife für den Kläger in der vorliegenden Konstellation nicht.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat den Beklagten nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. F., dessen mündlicher Erläuterung seines Gutachtens und nach persönlicher Anhörung des Klägers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 EUR verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe durch die vom Beklagten begangenen Missbrauchstaten zu Lasten seiner Tochter eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung erlitten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Eine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sei nicht gegeben. Der Nachweis einer eigenen Verletzung des Klägers sei diesem nicht gelungen. Die Feststellungen des Sachverständigen würden allein auf den - von Seiten des Beklagten bestrittenen - Angaben des Klägers beruhen. Es sei offengeblieben, ob die vom Kläger behaupteten psychischen Beeinträchtigungen nicht bereits auf den tragischen Verlust der Mutter in der Kindheit des Klägers zurückzuführen seien.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Lüneburg vom 28.07.2020, Aktenzeichen 2 O 15/19, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Eine traumatisch bedingte psychische Störung von Krankheitswert sei beim Kläger gegeben. Der Kläger sei mit seinem Leben gut zurechtgekommen, bis ihn das Bekanntwerden des Missbrauchs seiner Tochter aus der Bahn geworfen habe. Der Sachverständige im Strafverfahren habe F. jeweils nur für kurze Zeit bei deren audio-visueller Vernehmung gesehen. Es sei nicht auszuschließen, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei ihr erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt eintrete.
II. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.
a) Der Kläger ha...