Entscheidungsstichwort (Thema)
Bürgschaft naher Angehöriger, weite Zweckerklärung, Anlassforderung, Anlassrechtsprechung, Sittenwidrigkeit, Restschuldbefreiung, Zukunftsprognose, Widerlegung der Vermutung des Handelns aus emotionaler Verbundenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beschränkung der Bürgschaft auf die Anlassforderung im Falle einer - unzulässigen - weiten Zweckerklärung.
2. Zur Bedeutung der Möglichkeit der Restschuldbefreiung, zur Zukunftsprognose und zur Bedeutung der Höhe des Bürgschaftsbetrages im Fall einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen.
3. Zur Widerlegung der Vermutung der Ausnutzung der emotionalen Beziehung zwischen Hauptschuldner und Bürgen durch die Bank. Dabei genügt die Mitarbeit des Bürgen im Betrieb des Hauptschuldners nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Mitarbeit erheblich ist und auch die Miterledigung "des Geschäftlichen" umfasst. Erforderlich ist, dass der Bürge aufgrund konkreter und rechtlich gesicherter Vereinbarungen mit dem Hauptschuldner an dem finanzierten Projekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll.
Normenkette
BGB §§ 765, 767, 138; InsO § 309 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bückeburg (Urteil vom 27.02.2007; Aktenzeichen 2 O 186/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.2.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bückeburg geändert; die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht mit ihrer Klage die Feststellung einer Forderung gegen den Beklagten zur Insolvenztabelle geltend.
Durch schriftlichen Vertrag vom 12.10.1999 verbürgte sich der Beklagte ggü. der Klägerin "zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche" der Klägerin gegen die Hauptschulderin, Frau K., die damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Beklagten. Die Hauptschuldnerin war zu dieser Zeit Inhaberin eines - seit 2001 insolventen - Garten- und Landschaftsbaubetriebes. Zu der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten kam es, weil die Hauptschuldnerin ihren Dispo-Kredit bei der Klägerin in erheblichem Umfang überzogen hatte.
Der Beklagte hatte zur Zeit der Abgabe der Bürgschaftserklärung bereits die Eidesstattliche Versicherung abgegeben und erhielt ausweislich der der Klagerwiderung beigefügten Abrechnungen (Anlagen B 1, Bl. 34 ff. d.A.) einen "Aushilfslohn" i.H.v. 630 DM.
Durch Beschluss des AG Bückeburg vom 8.10.2004 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin in dem Insolvenzverfahren bestritten.
Im Jahr 2005 verstarb der Vater des Beklagten. Aufgrund Testaments vom 29.9.1999 (Bl. 39) wurde der Bruder des Beklagten Alleinerbe.
Die Klägerin hat behauptet, bereits bei Abgabe der Bürgschaftserklärung sei absehbar gewesen, dass der Beklagte nach dem Tod seines Vaters eine umfangreiche Erbschaft erlangen würde. Außerdem habe der Beklagte insbesondere wegen der Erhaltung seines Arbeitsplatzes ein eigenes Interesse daran gehabt, dass die Hauptschuldnerin von der Klägerin weitere Kredite erhalte.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Bürgschaft sei angesichts seiner Mittellosigkeit sittenwidrig. Außerdem hätten ihm die Mitarbeiter der Klägerin erklärt, die Bürgschaft werde nur für bankinterne Zwecke benötigt. Über die Erbschaft sei nicht gesprochen worden.
Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Mitarbeiter der Klägerin D. und B. sowie der Ehefrau des Beklagten (Bl. 68 ff./85 f.). Den Beklagten hat es persönlich angehört.
Das LG hat sodann der Klage antragsgemäß stattgegeben.
Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar sei, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, der Bürgschaftsvertrag nicht im Hinblick auf eine zu erwartende Erbschaft geschlossen worden. Die Beweisaufnahme habe demgegenüber ergeben, dass der Beklagte die Bürgschaft nicht nur wegen der engen Verbundenheit zu der Hauptschuldnerin, sondern zumindest auch aus eigenem wirtschaftlichen Interesse übernommen habe, denn er habe tatsächlich in einem erheblichen Umfang im Betrieb mitgearbeitet und dabei auch an unternehmerischen Entscheidungen mitgewirkt oder solche sogar allein getroffen.
Es könne offen bleiben, ob die Mitarbeiter der Klägerin dem Beklagten erklärt hätten, die Bürgschaft werde nur "für bankinterne Zwecke" benötigt. Einer solchen Äußerung könne nicht entnommen werden, dass die Bürgschaft als Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB oder als nicht ernstgemeintes Rechtsgeschäft i.S.d. § 118 BGB anzusehen sei. Letztlich diene jede Bürgschaft gegenüber einer Bank nur "bankinternen Zwecken", nämlich der Sicherung von Forderungen der Bank.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Klagabweisungsantrages.
Der Beklagte wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag zu seiner finanziell krassen Überforderung. Entgegen der Ansicht des LG habe er aber aus dem Darlehen an die H...