Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderungsausschluss bei Anstandsschenkung
Leitsatz (amtlich)
Bei Schenkungen der Großmutter an ihre Enkel spricht der Umstand, dass es sich um langjährige monatliche Zahlungen auf ein Sparkonto ("Bonussparen") handelt, gegen die Anwendung von § 534 BGB.
Normenkette
BGB § 534
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 13.09.2019; Aktenzeichen 6 O 270/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. September 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 5.712,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16. April 2016 zu zahlen.
Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 5.862,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16. April 2016 zu zahlen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten übergeleitete Schenkungsrückforderungsansprüche geltend.
Die am 29. Mai 2017 verstorbene Großmutter der Beklagten, Frau A. H., hatte für die beiden Beklagten jeweils ein Bonussparkonto auf deren Namen angelegt, auf das sie jeweils bis Ende des Jahres 2014 monatlich 50 EUR überwies, und zwar im Falle des am .... 2001 geborenen Beklagten zu 2 Zahlungen seit dem 1. Februar 2003 und im Falle der am .... 2004 geborenen Beklagten zu 1 seit dem 1. April 2005.
Ab dem 1. Januar 2015 konnte die Großmutter, die seit diesem Zeitpunkt bis zu ihrem Ableben vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht war, die nicht durch die Pflegekasse gedeckten Heimkosten nicht mehr aus eigenen Mitteln aufbringen, sodass die Klägerin mit ergänzenden Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege eintrat.
Die Großmutter verfügte im Jahr 2015 über ein Renteneinkommen von insgesamt rund 1.250 EUR, darunter seit dem Tod ihres Ehemannes im Juni 2012 Witwenrente in Höhe von rund 540 EUR. Die Klägerin erbrachte bis August 2017 Sozialleistungen in Höhe von 25.040,93 EUR. Die Klägerin hörte mit Schreiben vom 24. Juni 2015 die Beklagten über ihre Eltern zu den Rückforderungsansprüchen an und leitete diese mit bestandskräftigen Bescheiden vom 7. September 2015 auf sich über. Gegen den Beklagten zu 2 machte sie wegen der 10-Jahres-Frist (§ 529 BGB) nur einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 6.000 EUR und für die Beklagte zu 1 einen solchen in Höhe von 5.850 EUR geltend, worauf jeweils 137,10 EUR gezahlt wurden. Die Guthaben wurden im Jahr 2016 von den Konten abgehoben (Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 22. August 2019).
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an die Klägerin 5.712,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2016 zu zahlen,
2. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an die Klägerin 5.862,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2016 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben, sich auf Entreicherung berufen und gemeint, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen um Anstandsschenkungen gehandelt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zwar könnten sich die Beklagten weder auf die Einrede der Verjährung noch auf Entreicherung berufen. Die Rückforderungsansprüche seien jedoch gemäß § 534 2. Alt. BGB ausgeschlossen, weil es sich um Anstandsschenkungen handele.
Dagegen wendet die Klägerin sich mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt.
Das landgerichtliche Urteil sei insoweit falsch, als das Landgericht die monatlichen Zahlungen der Großmutter an die Enkelkinder für Anstandsschenkungen gehalten habe. Sowohl in der Rechtsprechung wie auch Literatur sei es einhellige Ansicht, dass unter den Begriff der Anstandsschenkung gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke des täglichen Lebens i. S. v. § 4 Abs. 2 AnfG, kleinere Zuwendungen wie die üblichen Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen oder Anlässen und das Trinkgeld zu subsumieren sind. Regelmäßige Zahlungen, wie sie die Beklagten erhalten haben, unterfielen schon dem Grunde nach nicht dem Begriff der Anstandsschenkung. Soweit das Landgericht die monatlichen Zahlungen Taschengeldzahlungen gleichgestellt habe, verfange dieses Argument nicht, weil das Geld nicht zum Verbrauch bestimmt, sondern mit dem Bonussparen ein Kapitalaufbau bezweckt gewesen sei.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie das angefochtene Urteil verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, ihr steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 528 Abs. 1 S. 1, 812 BGB i. V. m. § 93 SGB XII zu.
1. ...