Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbrecht. Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bewertung einer Grundstücksschenkung mit Wohnrechtsvorbehalt gemäß § 2325 II 2 BGB ist der Jahresnutzwert des Wohnrechts als künftig wiederkehrende Gegenleistung auf den Zeitpunkt der Übertragung mit dem sich aus Anlage 9 zu § 14 Bewertungsgesetz in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung zu kapitalisieren.

2. Wegen des einer Grundstücksübertragung gegen Einräumung eines Wohnrechts innewohnenden Risikos der künftigen Entwicklung bleibt der spätere tatsächliche Verkauf zwischen Vertragsschluss und Erbfall unberücksichtigt (abw. OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 734). Ein angemessener Abschlag von dem sich aus Anlage 9 zu § 14 Bewertungsgesetz ergebenden Kapitalisierungsfaktor ist ausnahmsweise dann vorzunehmen, wenn bereits bei Vertragsschluss mit dem baldigen Ableben des Erblassers gerechnet werden musste, dieser Umstand beiden Vertragsschließenden bekannt war, und der Erblasser auch tatsächlich kurze Zeit nach Vertragsschluss verstorben ist.

 

Normenkette

BGB § 2325

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 23.04.2001; Aktenzeichen 8 O 359/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. April 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden teilweise abgeändert. Die Klage wird weiter abgewiesen, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die … mehr als 7.850,37 Euro (= 15.353,98 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 15. August 1998 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 82 % und die Beklagten 18 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet. Die Klage ist weiter abzuweisen, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die … mehr als 15.353,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. August 1998 zu zahlen. Über die Berufung der Klägerin war nicht mehr zu befinden, nachdem sie diese in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002 zurückgenommen hat.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 Abs. 1 BGB sowie ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB zu. Ihr Anteil beläuft sich jeweils auf 1/6 des tatsächlichen Nachlasses abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten (Pflichtteil) sowie des fiktiven Nachlasses (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Hierbei kann offen bleiben, ob der nicht am Rechtsstreit beteiligte … ebenfalls ein Sohn des am 4. Juli 1998 verstorbenen Erblassers … ist. Der Erblasser hatte in dem Testament vom 14. März 1994 zwar angegeben, es handele sich nicht um seinen leiblichen Sohn. Vielmehr habe er diesen nur anerkannt (Bl. 22 d. A.). Die Klägerin hat indessen selbst vorgetragen, … sei ein leiblicher Abkömmling des Erblassers (Bl. 166, 250 d. A.) und entsprechend ihren Pflichtteil mit 1/6 berechnet.

Hiervon ausgehend ergibt sich folgende Berechnung:

1. Pflichtteil

a) Aktivnachlass

Unstreitig fallen in den Nachlass folgende Beträge:

Kontoguthaben

6.526,13 DM (Bl. 23, 116, 216 d. A.)

Sterbegeld AOK

2.100,00 DM (Bl. 23, 216 d. A.)

Sterbeversicherung

8.000,00 DM (Bl. 172, 216 d. A.)

Gewinnsparen

126,00 DM (Bl. 24, 216 d. A.)

Gesamt

16.752,13 DM.

Zu Recht nicht berücksichtigt hat das Landgericht die von der Klägerin weiterhin angesetzten 5.000 DM für Hausratgegenstände (LGU 4). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den Beschluss des Senats vom 16. Mai 2002 zu Ziff. 2 a) verwiesen, mit dem der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe auch für die von ihr eingelegte Berufung zu gewähren, zurückgewiesen worden ist.

b) Nachlassverbindlichkeiten

Das Landgericht hatte Nachlassverbindlichkeiten von 8.316,96 DM berücksichtigt (LGU 4). Diesen im Einzelnen nicht spezifizierten Betrag hatte die Klägerin erst-

instanzlich vorgetragen (Bl. 23 d. A.). Dem waren die Beklagten nicht entgegengetreten.

Erstmals im Berufungsverfahren behaupten die Beklagten nunmehr, es seien tatsächlich Nachlassverbindlichkeiten von 13.300,74 DM angefallen (Bl. 219 d. A.). Belege haben die Beklagten für die einzelnen Positionen zwar nicht vorgelegt. Sie haben indessen vorgetragen, der Klägerin diese mit dem außergerichtlichen Schreiben vom 27. Dezember 1998 übersandt zu haben (Bl. 225 f d. A.). Dem ist die Klägerin nicht mit Substanz entgegengetreten. Sie hat vielmehr ausdrücklich eingeräumt, die entsprechenden Belege erhalten zu haben (Bl. 235 d. A.). Soweit sie ergänzend ausführt, die vom Landgericht angesetzten Kosten von 8.316,96 DM seien zutreffend, fehlt es diesem Vortrag an der hinreichenden Substanz. Die Klägerin hätte schon im Einzelnen darlegen müssen, wie sich die von ihr erstinstanzlich vorgetragenen Nachlassverbindlichkeiten von 8.316,96 DM zusammensetzen und weshalb die von den Beklagten aufgeführten Kosten nicht zutreffend sein sollen.

Die im Einzelnen aufgelistete...

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