Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellungsdatum als Sachmangel beim Gebrauchtwagenkauf
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Gebrauchtwagenkauf kann das wesentliche Auseinanderfallen von Produktionsdatum und Erstzulassung einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB begründen (Anschluss an OLG Celle v. 26.2.1998 - 7 U 58/97, OLGReport Celle 1998, 160; OLG Karlsruhe v. 26.5.2004 - 1 U 10/04, MDR 2004, 1412 = OLGReport Karlsruhe 2004, 372 = NJW 2004, 2456).
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 01.09.2005; Aktenzeichen 4 O 201/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Verden vom 1.9.2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der von der Beklagten zurückzuzahlende Kaufpreis nicht 10.254,30 EUR, sondern lediglich 9.108,60 EUR beträgt; zur Klarstellung wird der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:
"Unter Klagabweisung im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.516,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz auf 9.108,60 EUR seit dem 25.3.2005 sowie auf 408,20 EUR seit dem 19.5.2005, Zug um Zug gegen Rückgabe des Personenkraftwagens Citroen Xsara 1,6 SX, Ident.-Nr. X. zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 7 % und die Beklagte 93 %."
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Citroen Xsara 1,6 SX vom 3./8.11.2004.
Der Kläger kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug für 11.400 EUR als Gebrauchtwagen. Das Fahrzeug, welches ursprünglich bei einem Citroen-Vertragshändler als Vorführwagen gedient hatte, hatte einen Kilometerstand von lediglich 10 km. Es hatte deshalb auch, so jedenfalls die Zeugenaussage des Ehemanns der Beklagten, einen so günstigen Preis (mindestens 7.000 EUR unter Neupreis; Bl. 57 d.A.).
Wegen verschiedener streitiger Sachmängel - ob diese tatsächlich vorliegen und dem Beklagten insoweit Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt wurde, ist vom LG nicht aufgeklärt worden - begehrt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Dabei hat er sich hilfsweise auch auf sein vorprozessuales Schreiben vom 1.4.2005 bezogen, mit dem er die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt hatte (Bl. 25 f. d.A.). In diesem Schreiben heißt es auszugsweise:
"Unabhängig hiervon hat unser Mandant nunmehr darüber hinaus feststellen müssen, dass das Fahrzeug bereits im Februar 2002 gebaut worden ist. Aus dem von der CC-Bank übersandten Fahrzeug-Brief ergibt sich des Weiteren, dass das Fahrzeug über einen Zeitraum von 3 Monaten auf ... Citroen zugelassen worden ist. Hiervon hat Ihre Auftraggeberin jedoch kein Wort erwähnt. Im Gegenteil: Ihre Auftraggeberin hat nachweislich erklärt, dass es sich bei dem Pkw um eine Tageszulassung handeln würde."
Das LG hat der Klage, abgesehen davon, dass es eine höhere Nutzungsentschädigung, als vom Kläger eingeräumt, abgesetzt hat, stattgegeben. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). Anders als bei einem Neuwagen könne der Käufer eines Gebrauchtwagens mangels näherer Angaben zwar nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das Fahrzeug sofort nach der Herstellung vom Straßenverkehr zugelassen worden sei. Er dürfe aber grundsätzlich darauf vertrauen, dass zwischen Herstellung und Erstzulassung ein relativ überschaubarer Zeitraum liege. Auch wenn die Angabe des Baujahres im Kfz-Brief nicht mehr vorgenommen werde, ändere dies nichts daran, dass nach der Verkehrsanschauung das Baujahr eine kaufentscheidende Rolle spiele. Der Käufer eines Gebrauchtfahrzeuges könne deshalb ebenfalls grundsätzlich davon ausgehen, dass das Produktionsdatum des Fahrzeugs einigermaßen zeitnah zur Erstzulassung liege (OLG Celle v. 26.2.1998 - 7 U 58/97, OLGReport Celle 1998, 160; OLG Karlsruhe v. 26.5.2004 - 1 U 10/04, MDR 2004, 1412 = OLGReport Karlsruhe 2004, 372 = NJW 2004, 2456). Demgegenüber hätten hier etwa zwei Jahre zwischen dem Produktionszeitpunkt und der Erstzulassung gelegen. Der Kläger habe somit einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, der vorliegende Sachverhalt sei mit demjenigen, über den das OLG Karlsruhe entschieden habe, nicht zu vergleichen, weil es dort um eine arglistige Täuschung gegangen sei. Im Übrigen habe der Kläger niemals erklärt, dass es für ihn kaufentscheidend gewesen sei, dass das Herstellungsdatum des Fahrzeugs nicht vom Zulassungsdatum erheblich abweichen dürfe. Auch der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers sei es offensichtlich egal gewesen, wann das Fahrzeug erstmals zugelassen war. Ihr sei es ausschließlich darauf angekommen, dass es sich um eine sog. Tageszulassung gehandelt habe, was all...