Leitsatz (amtlich)
Hat der Versicherungsnehmer nur überhaupt Kenntnis von einer Gesundheitsstörung, so muss er diese anzeigen, ohne dass ihm eine Wertung abverlangt wird oder ihm diese auch nur zusteht und ohne dass es darauf ankommt, ob er der Überzeugung war, nicht "krank" zu sein.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 18.07.2006; Aktenzeichen 2 O 232/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 18.7.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, geb ... 1953, von Beruf Kraftfahrer, nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.
Am 19.5.2000 beantragte der Kläger den Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsversicherung (Bl. 8-10 d.A.). Die Frage
"Bestehen oder bestanden Beschwerden, Störungen, Krankheiten, Vergiftungen"
verneinte der Kläger. Auf die weitere Frage
"Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden?"
gab er einen Kuraufenthalt nach Arbeitsunfall in B. für November 1999 mit 3 Wochen und dem Zusatz "ausgeheilt" an. Als Hausarzt wurde Dr. S. erwähnt. Der Antrag wurde aufgenommen und ausgefüllt durch den für die Beklagte als Versicherungsagent tätigen Zeugen B.. Nicht ausgefüllt wurden von diesem die weiteren Fragen nach Unfällen, Verletzungen sowie dem Bezug oder der Beantragung einer Rente. In einer Ergänzungserklärung vom 5.6.2000 gab der Kläger an, er habe keine Rente beantragt (Bl. 39 f. d.A.). Ferner schilderte er den Arbeitsunfall ("1998 sind mir beim Verladen eines Lkw's ein Kühlschank in den Nacken gefallen") und gab an, es seien keine Folgen oder Beschwerden verblieben.
Die Beklagte nahm den Antrag gem. Versicherungsschein vom 14.6.2000 an, der für den Fall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Leistungen bis zum 31.5.2013 von 1.000 DM vorsieht (Bl. 41-52 d.A.). Dem Vertrag liegen die BB-BUZ zugrunde (Bl. 53-62 d.A.). In einer besonderen Bedingung ist vereinbart, dass zum Nachweis der Berufsunfähigkeit die Vorlage eines Rentenbescheids genügt, wenn ausschließlich wegen des Gesundheitszustandes eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt wurde (Bl. 49 d.A.). Der Kläger erhält seit dem 1.6.2002 gem. Bescheid der LVA eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bl. 7 d.A.). Aus einem im Verfahren vor dem SG Lüneburg eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. G. vom 11.3.2004 ergibt sich, dass beim Kläger eine chronifizierte somatoforme Schmerzstörung sowie eine konversionsneurotische Symptomatik auf dem Boden einer schweren, chronifiziert depressiven Erkrankung mit psychosozialem Rückzug und deutlichen kognitiven Hirnleistungsstörungen vorliegen, ferner eine Neigung zu erhöhter psychovegetativer Reagibilität und über das altersentsprechende Maß hinausgehende Abnutzungsschäden am gesamten knöchernen Halte- und Bewegungsapparat (Bl. 98-121 d.A.).
Der Kläger meldete am 9.12.2004 (Bl. 63-70 d.A.) und 18.1.2005 (Bl. 71-79 d.A.) Ansprüche bei der Beklagten an, wobei er als Erkrankungen Depression, Schulter-Arm-Schmerz, Bandscheibenschmerzen, Knieschmerzen, Kopfschmerzen und Tinnitus angab. Die Beklagte holte einen Bericht des Dr. S. vom 26.1.2005 ein (Bl. 85 d.A. nebst Karteikarte Bl. 86-91 d.A.). Hieraus ergeben sich u.a. folgende Eintragungen:
- 24.5.1996 psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit Arbeitsunfähigkeit vom 24.5.-3.6.1996
- 3.6.1996 multiple Beschwerden Bewegungsapparat
- 10.9.1996 myostatisches HWS-Syndrom und BWS-Syndrom
- 20.9.1996 Beschwerden der gesamten Rückenmuskulatur wegen myostatischem Syndrom
- 28.2.1997 BWS-Syndrom
- 5.5.1997 Erschöpfungssyndrom
- 13.2.1998 Fettleber
- 25.2.1998 Schmerzen in den Schultergelenken
- 9.10.1998 Erschöpfungssyndrom
- 4.12.1998 myostatisches Syndrom
- 4.1.1999 Schulter-Arm-Syndrom, LWS-Syndrom
- 25.1.1999 AU 26.-29.1.1999 wegen Schulter-Arm-Syndrom
- 27.4.1999 Schulter-Arm-Syndrom rechts
- 7.5.1999 LWS-Syndrom
- 19.7.1999 myostatisches Wirbelsäulensyndrom
Am 25.2.2005 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag und focht ihn wegen arglistiger Täuschung an (Bl. 5 f. d.A.).
Der Kläger hat behauptet, er habe als Kraftfahrer für die Firma S. in M. gearbeitet, die ein Lager für elektrische Geräte betreibe und einen Fuhrpark für die Auslieferung unterhalte (Bl. 2 d.A.). Er sei aufgrund von schweren depressiven Störungen berufsunfähig (Bl. 95 d.A.). Eine Falschbeantwortung von Antragsfragen sei ihm nicht vorzuwerfen (Bl. 3, 93 f., 128 d.A.). Der Agent Bittner habe die Gesundheitsfragen nicht vorgelesen, sondern den Kläger nur gefragt, wie es ihm in den letzten 3 Jahren gesundheitlich gegangen sei. Er habe dann von dem Arbeitsunfall im Februar 1998 sowie der Kur in B. berichtet. Der Kläger selb...