Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es erscheint weiterhin sachgerecht, die nach einem Verkehrsunfall als Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten nach dem arithmetischen Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle zu schätzen.

2. Sowohl dem Mietwagenunternehmen als auch dem in Anspruch genommenen Versicherer bleibt es unbenommen, bezogen auf den konkreten Einzelfall durch Vorlage im Hinblick auf Zeitraum und Anmietsituation etc. vergleichbare Angebote darzutun und ggf. nachzuweisen, dass dem Geschädigten ein vergleichbares Fahrzeug zu schlechteren oder besseren Konditionen zur Verfügung gestanden hätte oder die generelle Vorzugswürdigkeit einer der beiden Erhebungsmethoden darzutun.

3. Die Kosten für eine Haftungsreduzierung auf unter 500,00 EUR sind im Regelfall in voller Höhe erstattungsfähig (Abweichung von 14 U 49/11).

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 23.06.2015; Aktenzeichen 9 O 395/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.6.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.960,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.1.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 10 %, die Beklagte zu 90 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen. Im vorliegenden Rechtsstreit macht sie aus abgetretenem Recht der jeweiligen Geschädigten nicht regulierte "Rest-"Ansprüche geltend, die nach Inanspruchnahme von Mietwagen von der Beklagten als Haftpflichtversicherer der jeweiligen Unfallgegner nicht erstattet worden sind.

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, wie der erstattungsfähige Normaltarif zu ermitteln ist. Das LG hat dies entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senates auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwertes aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle getan.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des LG (Bl. 191 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die nach wie vor die Auffassung vertritt, es sei allein sachgerecht, auf die Werte nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel abzustellen. Im Übrigen beanstandet sie die Berechnung seitens des LGes hinsichtlich einer Reduzierung der Vollkaskobeteiligung unter 500 EUR sowie eine Nichtberücksichtigung des von der Klägerin in erster Instanz erklärten Teilverzichts.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich im Ergebnis als weit überwiegend erfolglos. Lediglich in Höhe von 131,47 EUR ist das Urteil des LGes geringfügig zu korrigieren.

1. Erfolg hat das Rechtsmittel der Beklagten, soweit die Klägerin im Fall 20 Erstattung von Zusatzkosten für die Ausstattung des Mietfahrzeuges mit einem Navigationsgerät in Höhe von 68,95 EUR verlangt. Die Klägerin konnte nämlich nicht beweisen, dass das Unfallfahrzeug des Geschädigten tatsächlich mit diesem Zubehör ausgestattet war.

In seiner schriftlichen Mitteilung vom 12.1.2016 hat der von der Klägerin als Zeuge benannte M. M. mitgeteilt, er habe kein Fahrzeug der Klägerin angemietet (Bl. 265 d.A.). Daraufhin hat die Klägerin auf den Zeugen verzichtet.

2. Im Übrigen erweist sich das angefochtene Urteil weitgehend als zutreffend, insbesondere hat das LG die erstattungsfähigen Mietwagenkosten beanstandungsfrei auf der Grundlage des arithmetischen Mittels aus der Schwacke-Liste einerseits und der Fraunhofer-Tabelle andererseits geschätzt.

Entgegen dem vorläufigen Hinweis durch Verfügung der Vorsitzenden vom 2.12.2015 (Bl. 249 d.A.) gibt der vorliegende Fall keinen Anlass, die bisherige Rechtsprechung des Senates (vgl. hierzu grundlegend NJW-RR 2012, 802 ff. = so genannte Fracke-Methode) aufzugeben.

Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen "Normaltarifs" ist Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten (vgl. nur BGH, MDR 2011, 722 - juris Rdnr. 17).

In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Marktpreiss...

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