Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen und der Reichweite des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO gegen einen privaten Krankenversicherer im Zusammenhang mit Beitragsanpassungen
Leitsatz (amtlich)
Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO ist grundsätzlich nicht zweckgebunden. Ein Versicherungsnehmer kann von seinem Versicherer deshalb auch dann Auskunft über die beim Versicherer gespeicherten personengebundenen Daten verlangen, wenn der Versicherungsnehmer hiermit nicht das Ziel verfolgt, sich der Datenverarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Unter den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO fallen auch die in der Vergangenheit vom Versicherer an den Versicherungsnehmer anlässlich einer Beitragsanpassung übersandten Schreiben. Der Anspruch auf Erteilung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO beschränkt sich nicht auf die Übermittlung von Informationen, die der von der Datenspeicherung betroffenen Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zustehen. Vielmehr hat der Auskunftspflichtige grundsätzlich alle personenbezogenen Daten der berechtigten Person zu übermitteln, die bei dem Auskunftspflichtigen gespeichert sind.
Normenkette
DS-GVO Art. 15
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 3 O 258/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. März 2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insgesamt wie folgt gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassungen bis zum 31. Dezember 2020 nicht wirksam geworden sind:
- die Erhöhung des Beitrags im Tarif 342/20 zum 1. Januar 2014 in Höhe von 41,92 EUR,
- die Erhöhung des Beitrags im Tarif 541/20 zum 1. Januar 2015 in Höhe von 15,55 EUR und
- die Senkung des Beitrags im Tarif 342/20 zum 1. Januar 2016 um 9,77 EUR.
- aufgrund der Erhöhung des Beitrags im Tarif 342/20 zum 1. Januar 2014 in Höhe von 41,92 EUR bis zum 31. Dezember 2018,
- aufgrund der Erhöhung des Beitrags im Tarif 541/20 zum 1. Januar 2015 in Höhe von 15,55 EUR bis zum 31. Dezember 2020.
- die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2012, 2013, unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
- die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2012, 2013, sowie
- die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragsanpassung übermittelten Begründungen der Jahre 2012, 2013.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Zahlung folgender Beitragsanpassungen verpflichtet war:
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 945,60 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 29. Oktober 2021.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger von ihr gezogene Nutzungen in Höhe von 77,59 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 29. Oktober 2021.
5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2012, 2013 zur Versicherungsnummer 4922344839 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 69 % und die Beklagte 31 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagte 20 %.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers wegen der Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 200,00 EUR leistet. Im Übrigen kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt. Der Streitwert wird für die 1. Instanz unter Abänderung des Beschlusses vom 29. März 2022 auf bis zu 16.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen diverse, von der Beklagten vorgenommene Beitragsanpassungen im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsvertrags.
Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1990 ein Versicherungsvertrag für Krankheitskosten einschließlich Pflegeversicherung. Hinsichtlich der Nachträge zum Versicherungsschein für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 bis zum 1. Januar 2021 einschließlich wird auf Bl. 57 R - 60 R d. A. Bezug genommen.
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 ...