Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit von Prämienerhöhungen in einer privaten Krankenversicherung durch ordnungsgemäße Mitteilung der Gründe und der Rechnungsgrundlage
Normenkette
VVG § 203 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 12.01.2022; Aktenzeichen 8 O 275/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 12. Januar 2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 00.000.001/1/1 im Tarif E. um 15,19 EUR zum 1. Januar 2018 bis zum 28. Februar 2021 nicht wirksam geworden ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Tragung des Erhöhungsbetrages aus der Erhöhung des Monatsbeitrages im Tarif E. um 15,19 EUR zum 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 verpflichtet ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 364,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2020 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 21. Dezember 2020 aus den auf die unter Ziffer 2. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat.
5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über Beitragsanpassungen in seinen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer 000.000.001/1/1 für das Jahr 2016 zu erteilen und dabei dem Kläger die Anschreiben, Begründungen nebst Beiblättern zur Beitragsanpassung sowie die Nachträge zum Versicherungsschein zur Verfügung zu stellen, soweit tatsächlich Beitragsanpassungen im Jahr 2016 erfolgt sind.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger zu 63 % und die Beklagte zu 37 % und die des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 88 % und die Beklagte zu 12 % tragen.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers wegen des Auskunftsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 700,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Im Übrigen darf der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
9. Die Revision wird zugelassen.
10. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren, unter Abänderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung, auf 6.636,97 EUR und für das Berufungsverfahren auf bis zu 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienerhöhungen in einer privaten Krankenversicherung.
Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein Vertrag über eine private Krankenversicherung. Die Beklagte erhöhte die Prämien - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - wie folgt:
Tarif |
Stichtag |
von |
um |
auf |
E. |
01.01.2018 |
385,41 EUR |
15,19 EUR |
400,60 EUR |
E. |
01.01.2020 |
400,60 EUR |
51,00 EUR |
451,60 EUR |
Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Nachträge zum Versicherungsschein sowie die damit erteilten Informationen (Anlagenkonvolut D 13 bis D 15 und D 16 sowie Anlagenkonvolut K 1) Bezug genommen. Dem Vertrag liegen unter anderem die als Anlagen D 1 bis D 3 vorgelegten Versicherungsbedingungen zugrunde, auf die wegen deren näheren Inhalts Bezug genommen wird.
Der Kläger zahlte die erhöhten Beiträge.
Der Kläger bat mit Email vom 16. Juli 2020 um Übersendung sämtlicher Nachträge zum Versicherungsschein nebst Begründungsschreiben. Mit Schreiben vom 21. Juli 2022 (Anlage R 4/Anlage D 22) erteilte die Beklagte Auskunft über die Beitragserhöhungen der letzten drei Jahre; im Übrigen lehnte sie wegen Eintritts der Verjährung eine Auskunft ab.
Der Kläger hat behauptet, ihm lägen die Nachträge zum Versicherungsschein und die zugehörigen Begründungsschreiben aus dem Jahr 2016 nicht vor. Er hat gemeint, ihm stehe ein Anspruch auf Übermittlung der Unterlagen über die Prämienanpassungen der letzten zehn Jahre nebst den jeweiligen Begründungsschreiben aus § 666 BGB zu. Der Beklagten sei es nach § 242 BGB zuzumuten, die Unterlagen auch erneut zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch aus § 3 Abs. 4 VVG und Art. 15 DSGVO. In zeitlicher Hinsicht erstrecke sich der Anspruch auf sämtliche nach § 257 HGB aufzubewahrenden Dokumente. Der Kläger hat die formelle Wirksamkeit der Prämienerhöhungen in Abrede genommen. Für formell unwirksam hat er sie erachtet, weil keine ordnungsgemäße Mitteilung der Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG vorliege, nämlich in den Informationen die Gründe für die Prämienerhöhung, insbesondere die Rechnungsgrundlage, die auslösenden Faktoren sowie die Zusammensetzun...