Entscheidungsstichwort (Thema)

Straßenbauarbeiter als Verkehrsteilnehmer; Straßenbauarbeiter kein Fußgänger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Straßenbauarbeiter, der auf der für den fließenden Verkehr freigegebenen Fahrbahn Markierungsarbeiten ausführt, ist als Verkehrsteilnehmer i.S.v. § 1 StVO anzusehen.

2. Ein Straßenbauarbeiter, der Markierungsarbeiten verrichtet, ist kein Fußgänger i.S.v. § 25 StVO.

 

Normenkette

StVO §§ 1, 25

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 03.06.2022; Aktenzeichen 5 O 19/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. Juni 2022 verkündete Teilgrund- und Teilendurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪5 O 19/21≫ teilweise abgeändert und die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als das Landgericht die Feststellung ausgesprochen hat, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 25 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 21. Oktober 2019 in L. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind (LGU-Tenor zu Ziff. 3.).

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 35.000,- Euro (Berufung des Klägers: bis 25.000,- Euro, Berufung der Beklagten: bis 8.000,- Euro) festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt nach einem Verkehrsunfall am 21. Oktober 2019 in L., bei dem er im Bereich einer Straßenbaustelle, auf der er als Fahrbahnmarkierer tätig war, vom Pkw der Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 1 versichert war, angefahren wurde, materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu jedenfalls 75 % steht außer Streit. Insoweit hat die Beklagte zu 1 die Haftung vorprozessual mit Schreiben vom 25. Mai 2020 (Anlage B 3, Bl. 89f. d.A.) sowie nach Rechtshängigkeit mit Schreiben vom 11. Februar 2021 (Anlage B 4, Bl. 91 d.A.) anerkannt; wegen des Inhalts der Schreiben im Einzelnen wird auf diese verwiesen.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Feststellungsantrags und in der Sache zum Grund darüber, ob die Beklagten vollumfänglich haften oder ob den Kläger ein Mitverschulden am Unfall trifft und er sich dies mit 25 % anrechnen lassen muss.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit am 03. Juni 2022 verkündeten Urteil, Tenor und Tatbestand berichtigt durch Beschluss vom 11. August 2022, hat das Landgericht nach Anhörung der Parteien und Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege eines Teilgrund- und Teilendurteils die Klage hinsichtlich des Verdienstausfallschadens und des Schmerzensgeldes dem Grunde nach zu 75 % für begründet erklärt und im selben Umfang die Feststellung der Haftung für künftige Schäden ausgesprochen. Zudem ist unter Ziff. 4 tenoriert: "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Klage sei "weitgehend" zulässig. Denn der Kläger begehre die Feststellung einer weitergehenden als die von der Beklagten zu 2 [gemeint: zu 1] anerkannte Haftung, daher bestehe sein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Klage sei hinsichtlich der Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach entscheidungsreif, insoweit ergehe ein Grundurteil. Die Feststellungsklage sei insgesamt entscheidungsreif, insoweit ergehe Teilendurteil.

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 75 % dem Grunde nach zu. Den Kläger treffe eine Mithaftung an dem Unfall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger gegen die erforderliche Sorgfalt gemäß § 1 StVO verstoßen habe. Er habe auf der Fahrbahn, vornübergebeugt und mit dem Rücken zum fließenden Verkehr, gearbeitet und dem fließenden Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Als Fußgänger auf der nicht abgesperrten Fahrbahn habe ihn eine gesteigerte Sorgfaltspflicht getroffen; ihm falle daher ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO zur Last. Weitere Verursachungsbeiträge der Beklagten zu 1 [gemeint: zu 2] habe der Kläger nicht bewiesen. Eine überhöhte Geschwindigkeit und dass die Beklagte zu 2 den Kläger aufgrund mangelnder Sehkraft oder aus sorgfaltswidrigem Verhalten nicht gesehen habe, sei nicht bewiesen. Ein fehlendes Blinken sei ebenfalls nicht bewiesen, auch sei eine Unfallursächlich...

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