Leitsatz (amtlich)

1. Der Verweis auf Drittobjekte ist nicht geeignet, um die vom Architekten grundsätzlich geschuldete Ermittlung der anrechenbaren Kosten zu ersetzen.

2. Die anrechenbaren Kosten sind entweder nach fachlich allgemein anerkannten Regeln der Technik - faktisch also gemäß DIN 276 (2008) - oder nach Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage ortsüblicher Preise zu ermitteln. Der Verweis auf "Erfahrungswerte" aus früheren Bauverfahren genügt diesen Anforderungen nicht, da für einen das Referenzobjekt nicht kennenden Dritten diese "Erfahrungswerte" im Regelfall nicht durchschaubar sind.

3. Das Architektenhonorar richtet sich nach den anrechenbaren Kosten des Objekts auf der Grundlage der Kostenberechnung oder, soweit eine solche nicht vorliegt, auf der Grundlage der Kostenschätzung (HOAI 2009 § 6 Abs. 1). Dementsprechend wird die eigentlich als Entscheidungsgrundlage für den Auftraggeber dienende Kostenermittlung auf Grundlage der DIN 276 gleichsam für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten zur Bestimmung des Architektenhonorars für alle Leistungsphasen "zweckentfremdet".

4. Bei der Kostenermittlung muss nicht zwangsläufig das Formblatt der DIN 276 verwendet werden. Auch die Einhaltung des Gliederungsschemas der DIN 276 ist nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist stattdessen, dass der Architekt zu den einzelnen Kostengruppen Angaben macht.

5. Hat das Gericht das Vorbringen einer Partei zwar zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt, aber dessen Kern verkannt, steht das dem Übergehen eines wesentlichen Teils des Vortrags gleich und begründet einen Verstoß gegen den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 28.11.2012; Aktenzeichen 14 O 8/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 14. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.11.2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung restlichen Architektenhonorars i.H.v. 56.681,73 EUR in Anspruch. Wegen der Einzelheiten der zwischen den Parteien bestehenden Vertrags- und Auftragsverhältnisse nimmt der Senat auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug.

Grundlage der klägerischen Forderung ist die mit Schriftsatz vom 19.4.2012 zu den Akten gereichte (neue) Schlussrechnung vom 16.4.2012 (Bl. 142 f. d.A.), in der als anrechenbare Kosten für die Berechnung der nach dem klägerischen Vortrag erfolgten Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 ein Betrag von 1.810.000 EUR angesetzt ist. Ausweislich der dieser Schlussrechnung als Anlage Nr. 1 beigefügten Aufstellung liegt diesem Wert die Kostenberechnung vom 12.7.2010 zugrunde, wonach die Gesamtkosten der Kostengruppen 300 und 400 in eben dieser Höhe angesetzt werden, der Anteil der Kostengruppe 300 nämlich mit 1.455.000 EUR netto und der Anteil der Kostengruppe 400 mit 355.000 EUR netto. Diese Kostenberechnung vom 12.7.2010 ist der Schlussrechnung als Anlage K 2 beigefügt. In der in dieser enthaltenen Anmerkung 1 wird darauf hingewiesen, dass die Kosten der Kostengruppe 400 auf Erfahrungswerten früherer Bauvorhaben beruhten.

Die Beklagte hält der klägerischen Forderung sowohl den Einwand der fehlenden Prüfbarkeit dieser Schlussrechnung, als auch deren sachliche Unrichtigkeit entgegen. Außerdem wendet sie mangelhafte Leistungserbringung durch die Kläger ein, weswegen sie gegenüber deren Honoraransprüchen im Wege der Hilfsaufrechnung eigene Ersatzansprüche, darüber hinaus ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht.

Wegen der Einzelheiten der erhobenen Mängelrügen wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten Bezug genommen.

Im Verhandlungstermin vom 25.9.2012 hat das LG darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Fälligkeit des geltend gemachten Klageanspruchs bestünden, weswegen beabsichtigt sei, die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen. Zur Erläuterung hat es ausgeführt, dass sich dies insbesondere aus dem Hinweis in der Kostenberechnung vom 12.7.2010 begründe, wonach die Kosten der Kostengruppe 400 auf "Erfahrungswerten früherer Bauvorhaben" beruhten. Da die Kammer diese Erfahrungswerte nicht habe, seien die dort angesetzten anrechenbaren Kosten nicht nachvollziehbar.

Die Kläger haben daraufhin im Rahmen der ihnen gewährten Stellungnahmefrist mit Schriftsatz vom 11.10.2012 zu diesem Hinweis des LG weiter vorgetragen, außerdem als Anlage K 21 (Bl. 216 d.A.) eine Aufstellung zu den Akten gereicht. Aus dieser - so das Vorbringen der Kläger - ergebe sich, dass der Kostenberechnung vom 12.7.2010 Kennwerte eines in vergleichbarer Größenordnung errichteten Objekts "Neubau eines Fachmarktzentrums" in H. an der H. Straße (ehemaliges B. Grundstück) zugrunde lägen. Außerdem habe der bei den Kostengruppen 300 und 400 angesetzte Betrag von 1.810.000 EUR den eingeholten Generalunternehmer-Angeboten der Firmen ...

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