Leitsatz (amtlich)
Sorgfaltsanforderungen eines Museums beim Erwerb eines wertvollen Gemäldes aus dem Ausland.
Normenkette
BGB §§ 985, 1006, 937
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 11.01.2008; Aktenzeichen 9 O 181/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.1.2008 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Hannover aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, das Gemälde "Il Miracolo di Sant' Antonio" von Giovanni Battista Tiepolo (Öl auf Leinwand, 48 × 29 cm) an die Klägerin herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung der Hauptsache durch Sicherheitsleistung i.H.v. 500.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten kann das beklagte Land die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A) Die Klägerin führt den Rechtsstreit als Testamentsvollstreckerin der ursprünglichen Klägerin und verlangt von dem beklagten Land die Herausgabe des Gemäldes "Il Miracolo di Sant' Antonio" von Giovanni Battista Tiepolo. Die Eigentumsverhältnisse an dem Gemälde sind zwischen den Parteien streitig, und die Parteien streiten insbesondere darum, ob das beklagte Land, das das Gemälde im Jahr 1985 von der Streitverkündeten erworben hat, anlässlich des Erwerbs auf eine einwandfreie Herkunft vertrauen durfte bzw. aufgrund verschiedener Umstände ein begründetes Misstrauen angebracht gewesen wäre, das einem redlichen Eigentumserwerb entgegenstand. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes des Verfahrens erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des LG vom 11.1.2008 (Bl. 848 ff. d.A.) mit folgenden Ergänzungen verwiesen:
Erstinstanzlich haben beide Parteien ein Privatgutachten zur Frage der Üblichkeit der Erwerbsumstände in der Kunstbranche eingeholt. Das von dem beklagten Land eingeholte Gutachten des Professors M. (Bl. 561 ff. d.A.) gelangt zu dem Ergebnis, dass die Umstände des Erwerbs, insbesondere das Verhalten der Verkäuferin und des Erwerbers nicht auffallend ungewöhnlich gewesen seien. Demgegenüber ist der von der Klägerin beauftragte Gutachter Professor R. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsumstände unüblich gewesen seien, insbesondere der Erwerber eines bedeutenden Gemäldes üblicherweise Nachforschungen zu dessen Herkunft anstelle, was hier nicht ersichtlich sei (Bl. 433 ff. d.A.).
Das LG hat zunächst die Parteien mit seinem Hinweisbeschluss vom 22.1.2003 darauf hingewiesen, dass die Kammer von einer Eigentümerstellung der Klägerin zwar ausgehe, diese Frage jedoch dahinstehen könne, wenn sich das beklagte Land auf den Tatbestand der Ersitzung gem. § 937 Abs. 1 BGB berufen könne. Die Kammer hat zu diesem Zeitpunkt keine Umstände gesehen, aufgrund derer sich die Annahme des fehlenden Eigentums der Verkäuferin dem Erwerber hätte derart aufdrängen müssen, dass deren Übersehen sich als grob fahrlässig darstelle. Auf den Beschluss des LG vom 22.1.2003 wird Bezug genommen (Bl. 165 ff. d.A.). Das LG hat sodann mit Beweisbeschluss vom 11.6.2004 (Bl. 190 f. d.A.) Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, nach den Handelsbräuchen beim Erwerb wertvoller Kunstgegenstände Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts seien die Umstände bei dem Erwerb des streitgegenständlichen Gemäldes mit Deutlichkeit und auffallend ungewöhnlich gewesen. Nachdem sich Zweifel an der Sachkunde des zunächst beauftragten Sachverständigen Dr. S. ergeben haben (vgl. die Gutachten des Dr. jur. R. S. vom 4.8.2005, Bl. 308 ff. d.A., und vom 7.1.2006, Bl. 352 f. d.A., sowie die Anhörung vom 13.1.2006, Bl. 354 ff. d.A.) hat das LG mit Beschluss vom 24.2.2006 die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens angeordnet (Bl. 475 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Professors Dr. J. K. vom 13.2.2007 (Bl. 678 ff. d.A.) sowie dessen Ergänzung vom 21.3.2007 (Bl. 715 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat mit Urteil vom 11.1.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das beklagte Land zwar die Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs von der Verkäuferin des Gemäldes, Madame G. B. d.P., gem. § 929 BGB nicht dargelegt habe und eine Eigentumsvermutung gem. § 1006 BGB zugunsten des beklagten Landes auch nicht angenommen werden könne, wenn der ursprünglichen Klägerin als früheren Besitzerin das Gemälde gestohlen worden wäre. Es spreche auch einiges für die Eigentümerstellung der vormaligen Klägerin und die Entwendung des Bildes, jedoch komme es auf diese Fragen nicht an, weil das beklagte Land das Eigentum durch Ersitzung gem. § 937 Abs. 1 BGB erworben habe. Einen Ausschluss des Eigentumserwerbs durch Ersitzung wegen einer Bösgläubigkeit des bekl...