Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschreitung der Grenzwerte von DIN-Normen führt nicht ohne weiteres zu wesentlicher Beeinträchtigung
Normenkette
BGB §§ 906, 1004
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 6 O 31/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 12.5.2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hannover geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Beseitigung von Erschütterungsimmissionen durch die von der Beklagten zu 1) als Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs u.a. auf der K.-Straße in H.-K. betriebene Stadtbahn. Der Straßenbahnverkehr wird auf dieser Hauptverkehrsstraße bereits seit 1895 betrieben. Seit dem 1.7.2001 betreibt die Beklagte zu 1) lediglich den Schienenverkehr. Die Schienen- und Gleisanlagen stellte sie dagegen der Beklagten zu 2) zur Verfügung, welche die Anlagen auch unterhält und wartet.
Der Kläger und seine Ehefrau, beide von Beruf Ärzte, kauften mit notariellem Vertrag vom 15.10.1984 das mit einem 1923 errichteten Wohngebäude bebaute Grundstück K.-Straße 23 in H.-K, welches sie seit dem 10.6.1985 bewohnen und dessen Miteigentümer je zur ideellen Hälfte sie sind. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Lage und Größe des Gebäudes und die Entfernung zur angrenzenden Stadtbahnstrecke wird auf die Lichtbilder Bl. 184 d.A. Bezug genommen.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, insb. auf die Wiedergabe des Parteivortrages und der gestellten Anträge in dem durch Beschluss vom 14.7.2004 berichtigten Tatbestand (Leseabschrift Bl. 249-251, 292 d.A.) mit nachstehenden Ergänzungen verwiesen.
Die Möglichkeit der Reduzierung der durch den Straßenverkehr hervorgerufenen Erschütterungsimmissionen durch bauliche Maßnahme mit einem Kostenaufwand von 175.000 EUR war lediglich im ersten Rechtszug unstreitig. Mit Schriftsatz vom 8.11.2004 hat der Kläger eine Abtretungserklärung seiner Ehefrau vom 2.11.2004 vorgelegt, mit der diese dem Kläger die aus ihrem Miteigentumsanteil begründeten Ansprüche, insb. auf Beseitigung der Lärm- und Erschütterungsimmissionen sowie auf Leistung einer Geldentschädigung, abtritt.
Das LG hat nach Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. (lose bei den Akten) der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, dass dem Kläger der geltend gemachte Störungsbeseitigungsanspruch auf Vornahme von Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Richtwerte der DIN 4150 Teil 2 hinsichtlich der durch den Straßenbahnbetrieb hervorgerufenen Erschütterungen nach § 1004 Abs. 1, § 906 BGB zustehe. Das Wohnhaus des Klägers sei infolge der durch den Straßenbahnverkehr hervorgerufenen Erschütterungen einer nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB ausgesetzt, weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass aus dem Betrieb der Stadtbahn Erschütterungen in dem Wohnhaus K.-Straße 23 in H. resultierten, welche die nach DIN 4150 Teil 2 zulässigen Werte überschritten. Die Messungen des Sachverständigen hätten ergeben, dass am Messpunkt 1 im Esszimmer des Obergeschosses in der Beurteilungszeit Tag und am Messpunkt 2 in dem zum Obergeschoss gehörenden Wohnzimmer zum Garten in den Beurteilungszeiten Tag und Nacht die Anforderungen der DIN-Normen nicht eingehalten würden, während an den Messpunkten 3-7 die Normwerte nicht überschritten würden. Der Sachverständige habe bei der Ermittlung der Erschütterungsimmissionen die Vorgaben der DIN beachtet, während das im selbstständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten nicht hinreichend verwertbar sei, weil der dortige Sachverständige die Messwerte im Bezug auf Messort und Beurteilungszeitraum nicht auf der Grundlage der DIN ermittelt habe. Im Hinblick auf die Wesentlichkeit spiele die Frage der Ortsüblichkeit der Erschütterungsimmissionen keine Rolle. Zwar habe eine Überschreitung von Grenzwerten lediglich eine indizielle Wirkung für die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung. Nach der Rechtsprechung des BGH könne bei einer Überschreitung der Richtwerte aber grundsätzlich von einer wesentlichen Einwirkung ausgegangen werden, solange dabei berücksichtigt werde, dass es insoweit lediglich um eine Richtlinie gehe, die nicht schematisch angesetzt werden dürfe, sondern nur einen wichtigen Anhaltspunkt darstelle. Der Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung stehe nicht entgegen, dass es an 5 von 7 Messpunkten nicht zu einer Überschreitung der Grenzwerte gekommen sei und dass an einem der 2 Messpunkte die Überschreitung nur gering ausgefallen se...