Verfahrensgang

LG Hildesheim (Entscheidung vom 07.08.2003; Aktenzeichen 4 O 259/03)

 

Tenor

Die Berufung gegen das am 7. August 2003 verkündeten Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Gründe

1.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und macht im Wesentlichen geltend, das Landgericht hätte diesem stattgeben müssen, weil sie die Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung wegen eines existenzgefährdenden Eingriffs ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht habe.

Das Landgericht sei auch verfahrensfehlerhaft ihrem Antrag auf Beiziehung der Insolvenzakten betreffend die D. mbH nicht nachgegangen und deshalb von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Eine anerkannte Fallgruppe, in der die Haftungsbeschränkung des Gesellschafters einer GmbH nicht eingreife, sei die Vermögensvermischung, wenn sich beispielsweise in Folge einer verschleierten oder unvollständigen Buchhaltung Umfang und Folgen vorgenommener oder veranlasster Eingriffe nicht mehr feststellen ließen. Eine mangelhafte Buchführung ergebe sich aber aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters. Im Übrigen rechtfertigten die eidesstattlichen Versicherungen des früheren Geschäftsführers ... und des Bauunternehmers ... bereits den Anspruch.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

2.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat weder einen Arrestanspruch noch einen Arrestgrund glaubhaft, d. h. überwiegend wahrscheinlich (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO, BGH NJW 1996, 1682), gemacht.

a)

Arrestanspruch

Nach der jetzigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 151, 181 ff., sog. KBV-Urteil) stellen Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen, die die aufgrund von dessen Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger gebotene angemessene Rücksicht auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Maße vermissen lassen, einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH dar, die zum Verlust des Haftungsprivilegs (§ 1 3 Abs. 2 GmbHG) führt, soweit nicht der der GmbH durch den Eingriff insgesamt zugefügte Nachteil bereits nach den §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden kann oder kein ausreichender Ausgleich in das Gesellschaftsvermögen geschieht.

Die Klägerin behauptet keine konkreten Tatsachen, aus denen sich eine Ersatzpflicht des Beklagten aus den §§ 30 f. GmbHG ergeben könnte, d. h. Leistungen der Gesellschaft an den Beklagten, die sich auf deren Eigenkapitalsituation ausgewirkt haben. Es besteht auch keine Veranlassung, der Klägerin Darlegungs- und Beweiserleichterungen zu gewähren, denn sie kann gemäß § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO Einsicht in die gerichtlichen Insolvenzakten, insbesondere in das darin befindliche Gutachten des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, nehmen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind neben den sonstigen Verfahrensbeteiligten auch alle Gläubiger "Parteien" im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO. Der Gläubigerbegriff ist hier weit auszulegen. Ob die Forderung tituliert ist oder nicht, ist unerheblich (Ganter in MünchKomm-InsO, § 4 Rnrn. 57 ff., insbesondere Rn. 61). Der Senat ist auch nicht verpflichtet, die gerichtlichen Insolvenzakten beizuziehen und darauf durchzusehen, ob ihr Inhalt der Klägerin hilfreich ist (s. zur Rechtslage: Zöller-Greger, ZPO, § 253 Rn. 12 a).

Entsprechendes gilt - wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil bereits zutreffend begründet hat - für einen Anspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Missbrauchs des Haftungsprivilegs der Gesellschafter:

Die bloße Tatsache der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist insoweit nicht von Belang. Dem Geschäftsführer einer GmbH kann nicht ohne weiteres zur Last gelegt werden, dass das Insolvenzverfahren eröffnet werden muss, denn die Ursache dafür kann auch außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen, wenn etwa ein Schuldner der Gesellschaft insolvent ' wird. Die Klägerin trägt denn auch gar nicht vor, welches der eigentliche Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war. Eine umfassende Auskunftspflicht eines Gesellschafters oder Geschäftsführers gegenüber Dritten über die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft und insbesondere über den Verbleib ihrer Gelder besteht nicht.

Die von der Klägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sind, soweit sich daraus überhaupt etwas zu ihren Gunsten ergibt, zu unbestimmt:

Die des früheren Geschäftsführers P. vom 10. März 2003 betrifft Verhaltensweisen des Beklagten gegenüber anderen Gesellschaften als der, gegen die die Klägerin einen Vollstreckungstitel besitzt. Auch ist das Volumen der angeblich transferierten Gelder gänzlich unbekannt. Gewinne beispielsweise konnte der Beklagte - soweit es den Arrestanspruch betrifft - in jedem Fall "transferieren".

Aus der weiteren e...

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