Entscheidungsstichwort (Thema)
Rangverhältnis der Unterhaltsansprüche volljähriger nicht privilegierter Kinder und des geschiedenen Ehegatten im (verschärften) Mangelfall
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts sind die grundsätzlich ehe- und bedarfsprägenden Unterhaltszahlungen an die nicht privilegierten volljährigen Kinder nicht vorweg abzuziehen, wenn dadurch der angemessene Selbstbehalt des unterhaltsberechtigten Ehegatten diesen ggü. (derzeit 1.100 EUR) unterschritten würde.
Normenkette
BGB § 1609
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 26.11.2009; Aktenzeichen 619 F 5146/08) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - Familiengericht - Hannover vom 26.11.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich der Urteilsausspruch in der Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 19.2.2009 erschöpft.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zu Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.256 EUR (12 × (838 EUR - 400 EUR)) festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Abänderung der Verpflichtung des Klägers auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt an die Beklagte. Die Eheschließung erfolgte am ... 1984 in T. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war der deutsche Kläger 31 Jahre alt und Arzt. Das Alter der in T. geborenen Beklagten bei Ehescheidung ist streitig gewesen. Die Parteien haben sechs gemeinsame Kinder:
- N., geboren am ... 1983
- Me., geboren am ... 1986
- B., geboren am ... 1987
- P., geboren am ... 1989
- Be., geboren am ... 1991
- Ma., geboren am ... 1993.
Die Parteien zogen vor der Geburt von Me. nach Deutschland, wo sich der Kläger 1988 als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie niederließ. Die Beklagte verfügt über keine Berufsausbildung. Während der Ehezeit begann sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin, die sie nicht abschloss, und betrieb kurzfristig einen Weinhandel und einen Frisiersalon.
Nach Berufung gegen das erstinstanzliche Verbundurteil des AG Lüdenscheid vom 25.5.2004 wurde der Kläger durch Urteil des OLG Hamm vom 9.3.2005 (5 UF 339/04) zur Zahlung von 838 EUR nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt für B., Be. und Ma., die mit der bereits volljährigen Me. zum Haushalt der Beklagten gehörten, verurteilt. P. lebte zu diesem Zeitpunkt im Haushalt des Klägers, N. im Internat, das vom Kläger bezahlt wurde. Für die Einzelheiten der Unterhaltsberechnung wird auf das der Klageschrift als Anlage beigefügte Urteil des OLG Hamm Bezug genommen.
Der Kläger ist seit dem ... 2004 Vater einer weiteren Tochter namens L.-A. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Abänderungsklage absolvierten die drei älteren Töchter N., Me. und B. ein Studium und der Sohn Be. ein Auslandsschuljahr, während P. ein Internat besuchte und lediglich Ma. dauerhaft im Haushalt der Beklagten lebte. Die Beklagte ist unregelmäßig als Model oder Werbedame tätig und erzielte daraus im Zeitraum Juli bis Oktober 2008 und von August bis Oktober 2009 Einkünfte i.H.v. 1.600 EUR und 270 EUR; im letztgenannten Zeitraum noch 500 EUR aus einer Übersetzertätigkeit. Weiter hat sie jeweils Anfang 2008 und 2009 als Vorschuss für zwei Bücher Honorare i.H.v. insgesamt 4.000 EUR erhalten. Ihr unregelmäßig gezahlter Krankenkassenbeitrag beträgt monatlich 146 EUR.
Der Kläger behauptet, dass sein Nettoeinkommen nach Steuer in den Jahren 2006 bis 2008 deutlich gesunken sei. Nach Abzug von unstreitigen Krankenversicherungsbeiträgen von 554,40 EUR (597,19 EUR ab 1.7.2009) für die ... Krankenkasse (... K) sowie weiterer streitiger Zahlungen auf Versicherungen verbleibe ihm ein Betrag unter 3.506 EUR. Davon zahle er entsprechend einem am 23.6.2006 vor dem AG - Familiengericht - Hannover (603 F 680/06 UK) geschlossenen Vergleich an N., Me. und B. monatlich je 600 EUR Unterhalt, an P. 450 EUR Schul- und 50 EUR Taschengeld, weiterhin für Be. sowie Ma. jeweils 303,50 EUR Unterhalt. Seit März 2009 zahle er auch Unterhalt für L.-A. in Höhe des Mindestunterhalts.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt habe. Eine andere Anspruchsgrundlage sei nicht erkennbar. Die Beklagte sei auch in der Lage und verpflichtet, eigene Einkünfte i.H.v. 1.400 EUR netto zu verdienen. Der Kläger vertritt weiter die Ansicht, dass er allenfalls i.H.v. 158,06 EUR leistungsfähig sei. Insoweit seien nunmehr, entgegen der Rechtsprechung im Jahre 2005, auch die Zahlungen an die Tochter L.-A. als bedarfsprägend zu berücksichtigen. Schließlich ist er der Ansicht, dass angesichts einer Ehedauer von 14 Jahren die Zahlung von nachehelichem Unterhalt über einen Zeitraum von 4 Jahren eine Befristung rechtfertige, zumal die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.
Die Beklagte behauptet, dass sie erst am ... 1970 geboren worden und bei der Geburt des ersten Kindes 12 sowie bei der Eheschließung 13 Jahre alt gewesen sei. Sie habe wegen der ersten Schwangerschaft die Schulausbildung im Internat in T. abbrechen müssen, obwohl in ihrer He...