Entscheidungsstichwort (Thema)
Sekundäre Darlegungslast für ehebedingte Nachteile und deren Widerlegung
Leitsatz (amtlich)
Die geschiedene Ehefrau, die nach der Trennung der Eheleute zum neben der Alleinbetreuung der gemeinsamen Kinder frühestmöglichen Zeitpunkt ein zeitnah vor der Eheschließung konkret vorbereitetes (hier: Lehramts-) Studium aufgenommen und innerhalb der maßgeblichen Regelstudienzeit erfolgreich (hier: mit "sehr gut") abgeschlossen hat, erfüllt ihre sekundäre Darlegungslast dafür, ohne Eheschließung und Familiengründung heute eine diesem tatsächlichen Studienerfolg entsprechende Tätigkeit (hier: verbeamtete Gymnasiallehrerin) auszuüben, auch wenn sie das zweite Staatsexamen später tatsächlich nicht bestanden hat; die Anforderungen an die auf dieser Grundlage dem unterhaltspflichtigen Ehemann obliegende Widerlegung solcher ehebedingter Nachteile werden durch ein bei Eheschließung und Geburt der gemeinsamen Kinder erreichtes Alter der Ehefrau von 29 Jahren nicht herabgesetzt.
Normenkette
BGB § 1578b
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 03.12.2009; Aktenzeichen 608 F 2113/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des AG - Familiengericht - Hannover vom 3.12.2009 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: Gebührenstufe bis 12.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien hatten im Mai 1987 geheiratet; ihre Ehe, aus der am 27.5.1987 zwei - nach der Trennung allein von der Beklagten betreute - Kinder hervorgegangen sind, ist mit Urteil vom 16.11.1995 geschieden worden. Mit Senatsurteil vom 11.7.1996 ist der Kläger, der nach ehezeitlicher Aufgabe seiner früheren Tätigkeit als Kapitän neben dem Bezug einer befristeten Rente von der gemeinsam mit der Beklagten begonnenen Anschaffung, Nutzung und Veräußerung von Immobilien lebte, zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhaltes i.H.v. - umgerechnet - 923,90 EUR verurteilt worden. Ein erstes, hilfsweise bereits auf Herabsetzung und Befristung der Unterhaltsverpflichtung gerichtetes Abänderungsbegehren des Klägers ist durch Senatsurteil vom 4.12.2007, auf das ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen worden.
Die am ... 1957 geborene Beklagte ist im französischsprachigen Teil B. aufgewachsen und hat dort das Abitur abgelegt; ein dort zunächst aufgenommenes Medizinstudium hat sie nach wenigen Semestern aufgegeben. Anschließend kam sie anlässlich ihrer ersten Ehe nach Deutschland und war zunächst nur in geringfügigem Umfang beschäftigt; nach dem Tode ihres ersten Ehemannes betrieb sie selbständig ein Wollgeschäft weiter und absolvierte daneben mit dem Ziel eines von ihr beabsichtigten Lehramts-Studiums (Spanisch bzw. Französisch und Geschichte) an der Universität B. Sprachkurse; 1984 legte sie erfolgreich die für ein solches Studium erforderliche Mittelstufenprüfung ab. Nachdem sie alsbald den Kläger kennengelernt hatte, verlegten die Parteien noch vor ihrer Heirat und der Schwangerschaft der Beklagten ihren Wohnsitz nach B., wo die Beklagte wesentlich in die beginnende Immobilientätigkeit des Klägers einbezogen war; die Beklagte hat sich im Folgenden neben ihrer fortgesetzten geschäftlichen Mitwirkung um die Betreuung der Kinder gekümmert. Nach der Scheidung hat die Beklagte im Alter der Zwillinge von 9 Jahren ihr Studium für das Lehramt aufgenommen und unterhalb der Regelstudienzeit für Alleinerziehende mit "sehr gut" abgeschlossen. Das Referendariat hat sie dann allerdings - auch vor dem Hintergrund damals aufgetretener persönlicher Probleme - nicht erfolgreich abgeschlossen; eine Verbeamtung wäre zu diesem Zeitpunkt für sie jedoch ohnehin aus Altergründen nicht mehr möglich gewesen. Sie ist seitdem bei einem Freien Gymnasium - im schwankenden Umfang des dort jeweiligen Bedarfes - beschäftigt und erzielt Einkünfte von mittlerweile gut 1.500 EUR; daneben hat sie an einer Immobilie ein unentgeltliches Wohnrecht über gut 100 m2.
Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Kläger unter Berufung auf § 1578b Abs. 1 BGB die Beendigung seiner Unterhaltsverpflichtung ab Anfang Mai 2009, die das AG mit Urteil vom 3.12.2009, auf das ergänzend Bezug genommen wird, ab Rechtshängigkeit (9.5.2009) ausgesprochen hat; dabei ist das AG davon ausgegangen, dass ehebedingte Nachteile von der Beklagten nicht nachgewiesen werden könnten.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, die ihr Ziel der Klagabweisung weiterverfolgt; sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zu ehebedingten Nachteilen und macht geltend, dass sie aus einer Tätigkeit als verbeamteter oder zumindest im öffentlichen Schuldienst angestellter Gymnasiallehrerin, die sie bei einer nur durch die Eheschließung und Familiengründung verhinderten zeitnahen Aufnahme des vorbereiteten Studiums mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht hätte, ein um mehr als den titulierten Unterhaltsbetrag höheres Einkommen erzielen würde. Im Übrigen beruft sie si...