Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung für Klagen auf Hochschulzulassung im Wege sog. Kapazitätsklageverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Werden von einem Studienplatzbewerber mehrere Hochschulen auf Zulassung außerhalb des allgemeinen Zulassungsverfahrens (hier: Humanmedizin) mit der Begründung in Anspruch genommen, die Hochschule habe ihre tatsächlich vorhandene Kapazität nicht hinreichend ausgeschöpft (sog. Kapazitätsklageverfahren), so ist unter Berücksichtigung des sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Grundsrechtes auf Zulassung zum Hochschulstudium die hinreichende Aussicht auf Erfolg nach § 1 Abs. 1 S. 2 ARB auch dann gegeben, wenn bei einer die Zahl der ermittelten freien Plätze deutlich übersteigenden Anzahl der Bewerber die endgültige Auswahl durch ein Losverfahren erfolgt.
2. Es ist nicht mutwillig i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 ARB, wenn der Bewerber mit dem Ziel der Zulassung gleichzeitig gegen mehrere Hochschulen gerichtlich vorgeht, sofern die Anzahl der Klagen pro Semester 10 nicht übersteigt.
3. An die Darlegungs- und Beweislast des Versicherungsnehmers bezüglich der hinreichenden Erfolgsausicht und des Eintritts des Versicherungsfalles nach § 14 Abs. 3 S. 1 ARB sind nur maßvolle Anforderungen zu stellen, da er im Zeitpunkt der Antragstellung in der Regel nicht beurteilen kann, ob und welche freien Kapazitäten bei der Hochschule bestehen.
Normenkette
ARB 1975/2004 §§ 1, 14-15
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 07.07.2006; Aktenzeichen 13 O 355/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7.7.2006 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der an den Bevollmächtigten seines Sohnes zu zahlenden Vergütung sowie den Sohn des Klägers bezüglich der angefallenen und anfallenden Gerichtsgebühren für die Durchführung von VGstreitigkeiten im Wintersemester 2005/2006 mit dem Ziel der Studienzulassung gegen die Universitäten Bochum, Essen, Frankfurt, München, Greifswald, Hannover, Berlin, Leipzig, Marburg, Göttingen, Regensburg, Rostock, Saarbrücken und Dresden zu 10/14 freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der im Wintersemester 2005/2006 an die prozessbevollmächtigten Anwälte der verklagten Universitäten Greifswald, Hannover, Berlin und Rostock zu zahlenden Vergütung nebst angefallener Zinsen zu 10/14 freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der an den Bevollmächtigten seines Sohnes zu zahlenden Vergütung sowie der angefallenen und anfallenden Gerichtsgebühren für die Durchführung von VGstreitigkeiten im Sommersemester 2006 mit dem Ziel der Studienzulassung gegen die Universitäten Göttingen und Erlangen freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der im Sommersemester 2006 an die prozessbevollmächtigten Anwälte der verklagten Universitäten Göttingen zu zahlenden Vergütung nebst angefallener Zinsen freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger und die Beklagte je die Hälfte, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 45 % und die Beklagte 55 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung für Hochschulzulassungsverfahren gegen mehrere Universitäten für das Fach Humanmedizin für das Wintersemester 2005/2006 und (zusätzlich im Berufungsverfahren) für das Sommersemester 2006.
Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag (Bl. 13 f. d.A.), dem die ARB 1975/2004 zugrunde liegen (Bl. 371-387 d.A.). Zum 7.9.2004 wurde der Versicherungsschutz auf die Einbeziehung der Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor den VG erweitert (§ 26 Abs. 3h) ARB 1975/2004, Bl. 97, 377 d.A.). Aus einem internen Rundschreiben der Beklagte vom 23.9.2002 ergibt sich, dass der VG-Rechtsschutz u.a. Streitigkeiten mit der Schul- oder Hochschulverwaltung wegen der Zulassung zu Hochschulen umfasst (Bl. 79 f. d.A.). Der am ... 1984 geborene Sohn des Klägers legte am ... 2004 das Abitur mit der Note 2,0 ab (Bl. 290-293 d.A.) und beabsichtigte, im WS 2005/2006 das Studium der Humanmedizin aufzunehmen. Von der ZVS erhielt er am 15.8.2005 und 30.9.2005 Ablehnungsbescheide, weil er den erforderlichen Notendurchschnitt und die Wartezeiten nicht erfüllt (Bl. 5 d.A.). In der Zeit vom ... 2005 bis zum ... 2006 war er an der Universität L. für das Fach Chemie immatrikuliert (Bl. 296 d.A.). Durch Beschluss des OVG des Saarlandes vom ... hat der Sohn des Klägers nunmehr die Zulassung zum Studium der Humanmedizin in S. nach den Verhält...