Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Versicherungsschutzes in der Transportversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. In einer Transportversicherung ist, auch wenn jegliche Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache einschließlich der Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch den Versicherungsnehmer versichert sind, eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf den Verlust von Bargeld unter Ausschluss von Buchgeld vorzunehmen, wenn sich dies aus den sonstigen Bestimmungen des Versicherungsvertrages, insbesondere zum Gegenstand, zur Dauer und zur Prämienkalkulation ergibt.
2. Mangels stofflichen Zugriffs fehlt es mithin an einem Versicherungsfall des Verlustes von Bargeld, wenn das Werttransportunternehmen bei verschiedenen Kunden abgeholtes Bargeld in sog. CashCentern sammelt, bundesbankfertig macht und es dann mit Wissen des Kunden auf ein eigenes Konto des Werttransportunternehmens bei der Bundesbank einzahlt, wo es anschließend unzulässigerweise im Wege eines "Schneeballsystems" zur Deckung von Verbindlichkeiten aus früheren Geldtransporten gegenüber anderen Kunden benutzt wird.
3. Der Versicherer ist berechtigt, einen Vertrag über eine Transportversicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn das Werttransportunternehmen anlässlich des Neuabschlusses eines Vertrages keine Angaben zu dem seit Jahren betriebenen Schneeballsystem und der entstandenen Liquiditätslücke macht. Diese Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann grundsätzlich auch den Kunden des Werttransportunternehmens entgegengehalten werden, selbst wenn diese die Rechtsstellung eines Versicherten nach §§ 74 ff. VVG a.F. haben. Auch aus einer Versicherungsbestätigung des Versicherers ggü. dem Kunden des Werttransportunternehmens können in der Regel keine weitergehenden Ansprüche hergeleitet werden.
Normenkette
VVG § 22 a.F., § 74 ff. a.F.; BGB § 123
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 6 O 4/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.2.2008 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einem ValorenTransportversicherungsvertrag in Anspruch, den die Beklagte mit der H. Gruppe (im Folgenden: H.) im Zusammenhang mit der Durchführung von einer Bargeldversorgung und Bargeldentsorgung für zahlreiche Unternehmen vereinbarte.
Die Klägerin firmierte 1998 als M. GmbH und unterhielt in ganz Deutschland mehr als 30 verschiedene unselbständige Niederlassungen zum Vertrieb von Büromaterialien. Am 23./27.2.1998 schloss die Klägerin mit der H. GmbH, H., einen "Rahmenvertrag" über Geldtransportleistungen. Nach § 1 dieses Rahmenvertrages führt die H. GmbH als Transportunternehmen für die Klägerin mit besonders geschützten und gepanzerten Spezialfahrzeugen Transporte von Bargeld, Wertpapieren und Wertsachen der Klägerin und deren Kunden aus. Außerdem beinhaltet der Leistungsumfang die Geldbearbeitung und Hartgeldversorgung.
Der Haftungsumfang für die durchzuführenden Transporte wird in § 2 Nr. 1, 1. Abs. des Rahmenvertrages wie folgt beschrieben:
"Das Transportunternehmen haftet dem Auftraggeber und dessen Kunden für Verlust, Vernichtung oder Beschädigung der ihm zur Beförderung übergebenen Gegenstände der in § 1 bezeichneten Art auf den für den Auftraggeber ausgeführten Transporten, und zwar ungeachtet der Ursache des Verlustes, der Vernichtung oder Beschädigung, insbesondere ohne Rücksicht darauf, ob der Verlust, die Vernichtung oder Beschädigung von den Gesellschaftern des Transportunternehmens oder von Personen, die in deren Diensten stehen, verschuldet oder verursacht sind und ob die Gegenstände den Auftraggebern oder dritten Personen gehören."
Die Transportstrecke wird in § 1 Nr. 1, 3. Abs. wie folgt angegeben:
"Der Transport beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem die versicherten Werte in die Obhut des Transportunternehmens übergeben werden und dauert an, bis die versicherten Werte in die Obhut des Empfängers übergeben worden sind ...".
Nach § 4 des Rahmenvertrages hat die Übergabe und Ablieferung des Transportgutes ausschließlich in den Geschäftsräumen des betreffenden Auftraggebers nach näherer Angabe des Auftraggebers - der Klägerin - zu erfolgen. In Anlage 1 zu diesem Rahmenvertrag vom "11.3.1998" - hierbei handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler im Hinblick auf das Inkrafttreten des Rahmenvertrages am 11.3.1998 - heißt es hierzu:
"Einzahlung der Gelder bei der LZB zugunsten einer Bank Ihrer Wahl."
H. hat in § 6 des Rahmenvertrages alle gegenwärtigen und künftigen, mit diesem Vertrag zusammenhängenden Versicherungsansprüche an die Klägerin als Auftraggeberin abgetreten.
Wegen der weiteren Einzelhe...