Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige innere Verknüpfung für Eingreifen der Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG. Entbehrlichkeit einer Einziehungsentscheidung bei Verzicht des Angeklagten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Eingreifen der Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG bedarf es ausreichender Feststellungen, die über eine bloße Gleichzeitigkeit der Ausführungen von Tathandlungen hinaus eine unlösbare innere Verknüpfung begründen.

2. Ungeachtet einer Annahmeerklärung der Staatsanwaltschaft bedarf es keiner Einziehungsentscheidung, wenn der Angeklagte zuvor bedingungslos auf alle Rechte an den sichergestellten Gegenständen verzichtet hatte.

 

Normenkette

OwiG § 21 Abs. 1 S. 1; StGB § 74; BtMG § 33; WaffG §§ 53-54

 

Verfahrensgang

AG Stade (Entscheidung vom 13.06.2017)

 

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Stade vom 13. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte nicht auch wegen einer Ordnungswidrigkeit des unerlaubten Besitzes von Waffen verurteilt worden ist, und im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendrichter - Stade zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Stade vom 13. Juni 2017 wurde der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Marihuana) schuldig gesprochen. Diesem wurde auferlegt, beginnend ab dem Monat Juli 2017 bis zum 5. eines jeden Monats 400,- EUR in monatlichen Raten zu je 100,- EUR an eine näher bezeichnete gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Ferner wurde er angewiesen, bis zum 15. Juli 2017 an fünf Terminen der Suchtberatung des Vereins für So. S. e.V. (V.) teilzunehmen.

1. a) Nach den Feststellungen zur Person wohnt der zur Tatzeit 18-jährige Angeklagte noch bei seinen Eltern und verfügt über keinen Schulabschluss, sondern lediglich über ein Abgangszeugnis. Er ist bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt und übte zuletzt Tätigkeiten im Bereich des Objektschutzes sowie in der Durchführung von Malerarbeiten aus. Sein monatlicher Verdienst beläuft sich auf ca. 1.000,- EUR netto, wovon er Kostgeld i.H.v. 200,- EUR an seine Eltern abzuführen hat. Bereits im Jahr 2013 ist der Angeklagte wegen Diebstahls in drei Fällen zur Erbringung von Arbeitsleistungen verurteilt worden. Im Jahr 2015 ist gegen ihn ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nach § 47 JGG gegen richterliche Weisung und Ermahnung eingestellt worden.

b) Nach den getroffenen Feststellungen zur Sache bewahrte der Angeklagte am 16. Juni 2016 zu Hause eine Menge von ca. 3,5 Gramm Marihuana sowie ein als Taschenlampe getarntes (näher bezeichnetes) Elektroimpulsgerät auf, ohne über eine entsprechende Erlaubnis für die vorbezeichneten Gegenstände zu verfügen.

c) Das Amtsgericht hat sich von diesem Sachverhalt überzeugt aufgrund der Angaben des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung glaubhaft diesen Feststellungen nach ausgesagt habe.

Soweit der Anklagevorwurf wegen der beim Angeklagten sichergestellten Menge an Betäubungsmitteln vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ausgegangen ist, vermochte das Amtsgericht die Einlassung des Angeklagten, wonach die aufgefundenen Betäubungsmittel ausschließlich für seinen Eigenkonsum bestimmt waren und er bereits seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr zu dem gesondert Verfolgten B. gehabt habe, nicht zu widerlegen.

Das Amtsgericht hat zudem ausgeführt, dass mit den aus der Akte ersichtlichen Beweismitteln eine Entkräftung der Angaben des Angeklagten nicht möglich sei. Der Verdacht beruhe allein auf den Bekundungen des Zeugen Br., die hinsichtlich des Verhältnisses des Angeklagten zum gesondert Verfolgten B. zum Tatzeitpunkt unergiebig seien. Angesichts der sichergestellten Menge liege daher der Zweck des Eigenkonsums und nicht eine eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit nahe.

d) Das Amtsgericht hat die Tat in rechtlicher Hinsicht als unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nach §§ 1, 3, 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG gewertet. Soweit der Angeklagte daneben ohne Erlaubnis ein Elektroimpulsgerät besessen habe, erfülle dies nach Auffassung des Amtsgerichts zwar eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 WaffG. Diese sei jedoch nach § 21 Abs. 1 OWiG verdrängt, da insofern eine einheitliche Tat im materiellen-rechtlichen Sinne vorliege.

e) Das Amtsgericht hat bei dem zum Tatzeitpunkt knapp 19 Jahre alten Angeklagten wegen Reifeverzögerungen gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und im Rahmen der Strafzumessung unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens zugunsten des Angeklagten seine geständige Einlassung sowie Verzichtserklärung gewertet. Zulasten ist die einschlägige Eintragung der Einstellung nach § 47 JGG sowie der fortdauernde Konsum von Marihuana berücksichtigt worden.

2. Hiergegen wendet sich die zu Ungunsten des Angeklagten einge...

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